Ein Landmann pflügte sein Ackerland,
Ein altes rost’ges Schwert er fand,
Das verlor vor viel hundert Jahren schon
Ein Krieger, der blutigsten Schlachten entfloh’n.
Er tat es auch nach Haus mitbringen ―
Hütet euch vor alten Klingen!
Und er trägt zu der Schmiede hin das Schwert:
„Ein’ Pflugschar schmiedet mir, Meister wert!“
Der Meister warnend zurecht ihn weist:
Im Schwert da wohnt ein besonderer Geist,
Läßt schwer sich zur Arbeit dingen ―
Hütet euch vor alten Klingen!
Doch der andre beharrt auf seinem Sinn
Und verheißt dem Meister guten Gewinn.
Der schmelzt es ein und schmiedet’s gut,
Wie glüht’s, wie zischt’s in des Ofens Glut,
Wie sprüht’s vor des Hammers Schwingen ―
Hütet euch vor alten Klingen!
Und wie der Ackermann sein Feld
Mit der Pflugschar zum erstenmal bestellt,
Dringt’s ächzend in den Boden ein,
Mag wohl nicht gerne Pflugschar sein.
Ja, schwer will die Arbeit gelingen. ―
Hütet euch vor alten Klingen!
Wo nur ein Stein sonst, da bricht ein Stoß
Wie von einem Felsblock die Pflugschar los.
Der Landmann, eilig zur Flucht gewandt,
Die Pflugschar läßt an der Straße Rand;
Das geschieht nicht mit rechten Dingen ―
Hütet euch vor alten Klingen!
Im Dorf war Hochzeit. Von lustigem Schmaus
Spät abends gingen die Burschen nach Haus,
Sie gingen erhitzt von Tanz und Wein.
Was blinkt dort, es mag Eisen sein:
Mein ist’s, wer will mir’s entringen? ―
Hütet euch vor alten Klingen!
„Was geht dich die Pflugschar an, Gesell’?“
„Gib her!“ so ruft’s und entreißt’s ihm schnell.
Und sie schlagen sich, reißen sich’s aus der Hand.
Das Schwert hat zum alten Gewerb sich gewandt.
Wie kreist’s in mächtigen Schwingen.
Hütet euch vor alten Klingen!
In Strömen das Blut floß auf den Grund,
Und es sanken die drei zum Tode wund.
Drum hat man die Kreuze gebaut aus Stein,
Die Pflugschar soll drunter begraben sein,
Zu meiden des Bösen Schlingen ―
Hütet euch vor alten Klingen!
Drum wehrt euch, wehrt euch, die ihr begehrt,
Zum Pfluge zu wandeln das Ritterschwert.
Noch blüht so manches edle Haus
Und die Rittertugend, sie starb nicht aus,
Ihr werdet sie nimmer bezwingen.
Hütet euch vor alten Klingen!
Diese holprige Ballade erschien 1925 in der Dezemberausgabe der Blätter des Württembergischen Schwarzwaldvereins. Eingesandt hatte sie der Stammheimer Hauptlehrer Gottlob Eberle. Er vermerkte dazu, er habe sie als Handschrift in der Sammlung seines verstorbenen Großvaters, des Schulmeisters E. Buck in Emberg, gefunden und sie stelle „inhaltlich allem Anscheine nach die in Versform gebrachte Fassung einer örtlichen Überlieferung dar.“ Die besagten drei Kreuze standen seinerzeit außerhalb des Ortes an der Landstraße, wo der Feldweg nach Calw von derselben abzweigt. Laut der Calwer Oberamtsbeschreibung von 1860 sollen es vormals vier Kreuze gewesen sein. Eines davon blieb erhalten und befindet sich heute mit zwei weiteren Steinkreuzen auf dem Rasenplatz bei der Stammheimer Kirche.
Eberle konnte nicht wissen, dass sein Großvater das Gedicht aller Wahrscheinlichkeit nach aus der 1876 erschienenen sechsten Ausgabe von Georg Jägers „Schwäbischer Lieder-Chronik“ abgeschrieben hatte, da dieser offenbar weder Autor noch Quelle notiert hatte. Der Autor, mit vollem Namen Eduard Christoph Ludwig Karl Freiherr von Seckendorff-Gudent (1813–1875), hatte Ende der 1830er-Jahre eine Stelle beim Oberamtsgericht in Calw innegehabt. In dieser Zeit dürfte das Gedicht entstanden sein.
Was an dem Text tatsächlich „örtliche Überlieferung“ ist, wie Eberle später vermuten sollte, ist fraglich. Die Oberamtsbeschreibung berichtet lediglich, „hier seien sich 2 Brautpaare begegnet und in Raufhändel gerathen, so daß alle 4 auf dem Platze todt gefunden wurden etc.“ Weiterhin ist dort zu lesen, „die allgemeinste Sage“ sei „daß hier 4 Männer wegen einer Pflugschar gestritten und sich getödtet haben.“ Der einzige weitere Hinweis in der Literatur findet sich in den „Steinkreuzen in Baden- Württemberg“ von Bernhard Losch aus dem Jahr 1981. Allerdings ist dort als Quelle eben jener Aufsatz von Eberle in den Blättern des Schwarzwaldvereins angegeben. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass die ganze Geschichte um den Fund des Schwertes, das Umschmieden und die Weigerung des Metalls, als Pflugschar benutzt zu werden, keine volkstümliche Überlieferung, sondern vielmehr dichterische Erfindung Eduard von Seckendorffs ist.
Ausführliche Erläuterungen und Kurzbiografie des Autors
Jiří Hönes – Eduard von Seckendorff: Die 3 Kreuze bei Stammheim (2012)
[PDF]
Downloads
Die 3 Kreuze bei Stammheim (Aus dem Schwarzwald)
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Die 3 Kreuze bei Stammheim (Schwäbische Lieder-Chronik)
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Die 3 Kreuze bei Stammheim (Gedichte von Eduard, Freiherr v. Seckendorff-Gutend)
[PDF]
Die 3 Kreuze bei Stammheim (Handschrift aus dem Nachlass, Staatsarchiv Ludwigsburg)
[PDF]
Links
Maria Magdalena Rückert: Nicht jeder ist seines Glückes Schmied – Geschichte Eduards des Unglücklichen, Ersten Vorstands des Staatsfilialarchivs Ludwigsburg
Allgemeine Deutsche Biographie: Eduard Freiherr von Seckendorff-Gudent
Dokumentation der Stammheimer Steinkreuze bei Suehnekreuz.de
Quelle
Aus dem Schwarzwald 12/1925.
Blätter d. Württembergischen Schwarzwaldvereins.
Stuttgart 1925.
S. 192.
Der ausführliche Artikel zur Ballade ist auch auf den Seiten des Kreisgeschichtsvereins Calw e.V. und bei AlltagsKultur!, dem Forum für Volkskunde und Kulturwissenschaft in Baden-Württemberg, erschienen.