Eduard Brauer: Die 400 Pforzheimer

  Georg von Baden zog zum Streit
In blut’ger, unheilvoller Zeit,
Vor Tilly’s wilden Schaaren
Sein Vaterland zu wahren.

  Dem Herrscherstab, dem Fürstenhut
Entsagt der Fürst mit starkem Muth,
Und spricht zu seinem Sohne:
„Sitz Du auf meinem Throne!“

  „Mich ruft zum Kampf die höh’re Pflicht,
Die Noth ist groß! hilft Gott uns nicht,
Wird uns das Schwert bekehren
Von Luthers reinen Lehren.“

  „Doch ferne sei mir’s, Mord und Brand
Zu locken in mein friedlich Land;
Ich will das Schwert erfassen,
Und dir das Scepter lassen.“

  „Nimm’s hin! mein Sohn, und trag’ es weis
Zu deines Volks und Gottes Preis
Des heil’gen Rechts Beschützer
Der Schwachheit Unterstützer.“

  Er sprach’s, und schwang sich auf sein Roß.
„Leb’ wohl! du meiner Ahnen Schloß.“
Viel heiße Thränen rannen,
Doch rastlos gieng’s von dannen.

  Da half kein Rath, kein warnend Wort,
Ein blind Verlangen trieb ihn fort,
Wie einst in bessern Zeiten
In off’ner Schlacht zu streiten.

  „Der Feigling sucht den Hinterhalt,
Ich trau auf meines Arms Gewalt –
So rief er – kühn Beginnen
Muß uns den Sieg gewinnen.“

  Und unaufhaltsam rückt er vor,
Und triff den Feind vor Wimpfens Thor,
Viel Tausend wohlgerüstet,
Die all des Kampfs gelüstet.

  Die Trommel ruft, das Schwert wird blos,
Wie Blitze folgen Hieb und Stoß,
Es donnern die Kanonen,
Die Freund und Feind nicht schonen.

  Und Mancher stürzt’, und Mancher sank,
Und mancher Kämpe sterbenskrank
Hat schweren Tod gelitten,
Denn blutig ward gestritten.

  Es stach der Sonne heißer Brand
Den Fürsten, der im Freien stand,
Doch kühles Obdach hatten
Die Feind’ in Waldes Schatten.

  Da hat gar mancher Held geklagt,
Der Markgraf streitet unverzagt;
Und Mancher muß erbleichen
Vor seines Armes Streichen.

  Doch sieh! welch schwarzer Höllendampf
Steigt dort empor und stört den Kampf?
Horch, wie es kracht und wettert,
Und Alles rings zerschmettert.

  Des Fürsten Heer wird schnell zersprengt,
Und Herrn und Knechte flieh’n vermengt;
Ein Schreckensruf verkündet:
Das Pulver ist entzündet.

  Umsonst war Bitten, Mahnen, Droh’n,
So Muth als Ordnung war entfloh’n.
Bald focht, vom Feind umgeben,
Der Markgraf um sein Leben.

  Nun spitzt das Ohr, und hört die That,
Die nirgend ihres gleichen hat,
Vernehmt sie, und bewundert
Von Pforzheim die Vierhundert.

  Ein Häuflein klein, doch edler Art
Hat um den Fürsten sich geschaart,
Aus jener Stadt gebürtig,
Des Schwabenlandes würdig.

  Sie standen vor den Fürsten dicht,
Wie Säulen fest, und wankten nicht,
Sein theures Haupt zu retten
Von ew’ger Knechtschaft Ketten.

  Und Mancher stürzt’, und Mancher sank,
Das Blut der treu’sten Herzen trank
Der nimmersatte Boden,
Ein weites Feld von Todten.

  Sie kämpfen, bis der Letzte blieb.
„O weinet nicht, ihr Mütter lieb!
Der Ruhm von euern Söhnen
Wird alles Land durchtönen!“

  So ward der edle Fürst befreit
Durch seiner Bürger Tapferkeit,
Denn Lieb’ ist bess’re Wehre,
Als Furcht und mächt’ge Heere.

  Und ihr, ihr Herren edel’n Bluts
Begebt euch eures stolzen Muths,
Und ehret und bewundert
Von Pforzheim die Vierhundert.

Die kriegsverherrlichende Ballade von den „400 Pforzheimern“ erschien 1835 im ersten Gedichtband des damals 23-jährigen Eduard Brauer (1811–1871). Es handelt sich um eine von zahlreichen literarischen Bearbeitungen einer Sage, die von der Rettung des Markgrafen Georg Friedrich von Baden-Durlach in der Schlacht bei Wimpfen im Jahr 1622 berichtet.

Bei dieser Schlacht in der Frühphase des Dreißigjährigen Kriegs stand das Heer des Markgrafen den bayerischen und spanischen Truppen der katholischen Liga unter den Feldherren Tilly und Córdoba gegenüber. Die von Brauer geschilderte Explosion der markgräflichen Pulverwagen hat tatsächlich dazu geführt, dass dessen Truppen in Panik gerieten und die Flucht ergriffen. Der Markgraf selbst konnte sich verletzt in Sicherheit bringen.

Dass diese Flucht nur durch das aufopferungsvolle Eingreifen der 400 Pforzheimer gelang, und diese dabei allesamt den Tod fanden, wurde noch zu Brauers Zeiten häufig ebenfalls für eine historische Tatsache gehalten. Brauer selbst schrieb 1845 in den „Sagen und Geschichten der Stadt Baden im Großherzogthum und ihrer näheren und entfernteren Umgebungen in poetischem Gewande“, die Geschichte der 400 Pforzheimer werde zwar neuerdings angezweifelt, doch der „Kern der Sage“ werde dennoch „als eine wahre Begebenheit zu betrachten sein.“

David Coste zeigte 1874 in einem Beitrag für Heinrich von Sybels Historische Zeitschrift, dass sämtliche literarische Bearbeitungen der Sage auf das 1788 erschienene Trauerspiel „Die vierhundert Pforzheimer Bürger oder die Schlacht bey Wimpfen“ des Pforzheimer Schriftstellers Ernst Ludwig Deimling zurückzuführen sind. Den frühesten bekannten Hinweis auf die angebliche Heldentat gab bereits 1770 Johann Christian Sachs in einer Fußnote zu seinem Auszug aus der Geschichte der Marggravschaft und des Marggrävlichen altfürstlichen Hauses Baden: „Man meldet, daß bei 400. Mann von der Burgerschaft zu Pforzheim, welche dem Marggraven zu einer Leibgarde gedient hätten, fast bis auf einen Mann sich haben niederhauen lassen.“ In zeitgenössischen Quellen, von denen Coste einige zitierte, ist von den 400 Pforzheimern dagegen keinem Wort zu finden.

Brauers gleichermaßen Heldentum und Herrschertreue verherrlichende Ballade fand bald Eingang in zahlreiche Anthologien, etwa 1837 in Karl Simrocks „Rheinsagen“, 1839 in August Nodnagels „Sieben Bücher deutscher Sagen und Legenden in alten und neuen Dichtungen“ oder 1846 in August Schnezlers „Badisches Sagen-Buch“, um nur einige zu nennen. Brauer selbst zählte 1848 bereits zwölf Sammlungen, in die die Ballade aufgenommen worden war.

Eine Liste literarischer Bearbeitungen der Sage lieferte 1880 der Historiker Moritz Gmelin in seinen Beiträgen zur Geschichte der Schlacht bei Wimpfen.

Zum Autor

Jiří Hönes – Sagenbilder in Lied und Reim – der badische Dichter Eduard Brauer (2014, überarbeitete Fassung 2017)
[PDF]

Downloads

Die 400 Pforzheimer (Gedichte)
[PDF]

Links

Wikipedia: Eduard Brauer

Wikisource: Eduard Brauer, Quellen und Volltexte

Quelle

Eduard Brauer: Gedichte.
Chr. Fr. Müller’sche Hofbuchhandlung.
Karlsruhe 1835.
S. 30–33.
[Wikimedia Commons]

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