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Julius Hetterich: Das Lichtlein vom St. Annaberge bei Altensteig

Man sieht zur Nachtzeit manchesmal
Ein Lichtlein hin und her sich winden
Am Berge dort, bald sinkt’s ins Thal,
Bald neigt sich’s zu des Waldes Gründen.
Hoch von der Bergstadt Häusern sieht
Der Blick hinüber, wo der Flimmer
Weit durch das Feld die Streifen zieht
Aufflammernd wie in bleichem Schimmer.

Dort oben stand in alter Zeit
Ein Kirchlein an des Berges Halde,
Der heil’gen Anna war’s geweiht,
Hell glänzend schaut es aus dem Walde,
Wo seitwärts rauh des Thales Schlucht;
Indem’s den Pilgrim freundlich ladet,
Und mancher Waller drinnen sucht
Und findet Frieden hochbegnadet.

Nur Eine nicht, – ja die im Schmerz
Das Kirchlein selbst als Opfer weihte,
Sie fand nicht Frieden für ihr Herz,
Und Gram und Leid war ihr Geleite.
Die Arme, ach, war eine Braut
Von edlem Stamm, der Burg entsprossen,
Vom Krieg den Liebsten sie nicht schaut
Zurückgekehrt mit den Genossen.

Herb hatte sie den Mann gekränkt,
Im Groll war er zum Kampf gezogen,
Da ist’s ihr, als zurück sie denkt,
Sie hätt’s verschuldet, ihn betrogen
Und in den Tod getrieben ihn
Als seine Mörderin; o Frieden
Kam ihr nicht mehr, sie welkt dahin,
Seit er für immer war geschieden.

Wohl tönt’ vom heil’gen Land sein Ruhm,
Eh’ Siechtum seine Kraft verzehrte,
Da weihte sie das Heiligtum
Der Heil’gen, die sie fromm verehrte,
Daß ihre Huld ihn brächt’ zurück,
Und als das Kirchlein war vollendet,
Da trat sie täglich ein, den Blick
In Seelenqual emporgewendet.

Und er kam nicht. Dem Fernen nach
Die Arme sinkt ins Grab, o lange
Hat sie geharrt, und Tag um Tag
Gefleht mit Sehnen heiß und bange.
Wohl sah man später manche Schar
Von Pilgern zu dem Kirchlein wallen
Und bringen fromm die Gaben dar. –
Vorüber ist’s, längst ist’s zerfallen.

Doch ob verweht die Spur ist ganz,
Der heil’gen Anna Namen führet
Noch heut’ der Berg, den Steig ein Kranz
Von thät’ger Bürger Häuser zieret.
Nur wo dereinst das Kirchlein stand,
Da steigt gar oft in nächt’ger Weile
Ein Lichtlein auf, zu Waldes Rand
Kreist’s hin und her, bald fliegt’s in Eile;

Bald! über Furchen, Pfade hin
Schwebt’s ob den Höh’n; mit einemmale,
Als wollt’ es ängstlich matt entflieh’n,
Sinkt es im Ruck hinab zum Thale.
Wie Totenflimmer glänzt der Schein.
Ist es des Fräuleins Geist, der bange
Dort oben suchend irrt allein
Geweckt von heißem Sehnsuchtsdrange?

Sucht sie ihr Kirchlein, ihre Not
Zu legen vor der Heil’gen nieder?
Sucht sie den Bräut’gam noch im Tod,
Daß er Versöhnung bringe wieder?
Und ist’s umsonst, dann hoffnungslos
Sinkt sie im Grund, im Wald verborgen
Aufs neu der Nacht in ihren Schoß,
Eh’ denn aufdämmernd naht der Morgen.

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Veröffentlicht unter Julius Hetterich, Schwarzwald | Hinterlasse einen Kommentar