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Karl Simrock: Der Nixenquell

Ein Ritter zieht mit hohem Muth,
Wenn sich der Schatten längt,
Wohl an des Brunnens kühle Flut,
Wo Liebchen ihn empfängt.
Er fragt sie nicht, woher sie kam
Und nicht, wohin sie geht;
Das macht ihm wenig Sorg und Gram,
Wenn sie ihn traut umfäht.

Doch wenn das Nachtgeläute schallt,
Beim ersten Glockenschlag,
Ist sie verschwunden in dem Wald,
Er blickt ihr trauernd nach.
Und länger hält sie nicht sein Flehn,
Sein Bitten nicht zurück:
„Und blieb ich noch, so wärs geschehn
Um unsrer Liebe Glück.“

Der Ritter nimmt ihr Wort in Acht
Geschreckt von ihrem Drohn,
Doch ach, in jeder Liebesnacht
Ist sie zu früh entflohn.
Zum Glöckner jagt er drum und beut
Ihm Gold und grüne Flur,
Verschöb er heut sein Nachtgeläut
Ein Viertelstündchen nur.

Da er sein Lieb am Brunnen fand,
Da nimmt er sie in Arm,
Hält sie mit Inbrunst fest umspannt
Und herzt und küßt sie warm.
Die Arme, die von Liebe glüht,
Vergißt der Stunden Lauf,
Doch am Gebirge blutig zieht
Der Vollmond schon herauf.

Und wie sie den Betrug erfand:
„Was hast du, Thor, gethan?
Zerrissen hast du unser Band
In blöder Liebe Wahn.“
Umsonst, daß er die Hände ringt,
Wie er auch fleht und thut,
Sein trautes Liebchen heulend schwingt
Sich in die Nixenflut.

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Veröffentlicht unter Karl Simrock, Kraichgau | Hinterlasse einen Kommentar