Archiv der Kategorie: Schwarzwald

Eduard Lynker: Das Bonndorfer Glöckchen

Zu Bonndorf auf dem Rathhaus
Da hängt ein Glöckchen fein,
Das ist vom puren Silber
Und ist’s auch werth zu seyn.
Und wie hinauf gekommen
Das köstliche Metall,
Und wem sein Klang soll dienen,
Will ich berichten all.

Schloß Tannegg an der Wuthach, –
Jetzt liegt’s in Trümmernacht –
War einst der bange Zeuge
Von einer langen Jagd.
Es deckte Schnee die Fluren,
Hell schien die Sonne drein,
Das lud die junge Gräfin
Zum Jagdvergnügen ein.

Durch dunkle Tannen glänzte.
Der letzte Sonnenstrahl,
Da stiegen Nebelwogen
Ringsum herauf zumal;
Und durch den Urwald heulend
Ein Sturm aus Osten zog,
Daß dumpf die Eiche krachte
Und sich die Tanne bog.

Der Jägertroß, er irrte
Zerstreut in Angst umher,
Des Jagdhorn Ruf erreichte
Die Irrenden nicht mehr;
Und auf den hohen Fluren,
Wo Weg und Steg verweht,
Die Gräfin auf dem Jagdroß
Um Rettungszeichen fleht.

Nie hat zuvor ein banges
Geschick ihr Herz gequält,
Von Noth und Leiden Andrer
Hat Niemand ihr erzählt –
Jetzt fühlte sie vor Allem,
Wie es dem Wandrer sey,
Wenn ihn die Nacht umfange
In solcher Wüstenei.

Und wie der späte Morgen
Sie in ihr Schloß geführt,
Hat sie alsbald dem Burgvogt
Den frommen Schluß diktirt:
„Nach Bonndorf auf das Rathhaus
Stift’ ich ein Glöckchen fein,
Das soll, zu größ’rer Ehre,
Von purem Silber seyn.

„Das soll, wenn Schnee und Nebel
Und Nacht den Pilgrim hält,
Und seine Seele bebet
Und seine Hoffnung fällt,
Mit heller Silberstimme
Und tröstlichem Geläut’
Sich nächtlich lassen hören
Die ganze Winterzeit.

„Und daß nicht Willkür frevle
An diesem Willen mein,
So soll das Glöckchen tönen
Allnächtlich um die Neun’,
Allnächtlich eine Stunde,
Bis daß mit frohem Zug
Sich auf dem Acker wendet
Im Lenz der dritte Pflug.“

Das haben sie gehalten
Gewissenhaft bis heut;
Nur eine Stunde später,
Und auch zu Sommerszeit;
Weil noch in andern Dingen
Als Nebel, Schnee und Nacht,
Man sich verirren könnte –
So haben sie gedacht.

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Karl Doll: Waldmythe

Was wollt ihr von uns? was schnaubt ihr uns an?
Was haben wir euch zu leid gethan?
Man schreibt uns auf und will uns strafen,
Weil dürre Reiser im Wald wir trafen,
Weil wir sie von der Erde lasen,
Weil einen Halm wir gerauft vom Rasen!
Weß ist der Wald, weß war er dann,
Eh man die Schreiberlist ersann?
Glaubt ihr, er war der Herrschaft? Nein!
Uns hat er gehört, der ganzen Gemein!
Zum Bauen holten wir immerdar,
Zum Feuern Holz das ganze Jahr.
Uns lief im Walde spät und früh
Gehörnt und ungehörntes Vieh.
Da kamen die Herren mit süßen Mienen,
Als wollten sie demuthvoll uns dienen,
Hier wars ein Pfäfflein glatt und rund,
Dort wars ein Amtmann ränkekund.
Sie wollten nichts, beileibe, nein,
Als Ordnung schaffen ganz allein,
Um Gotteswillen und unsertwegen
Den Wald, den wüchsigen, hegen und pflegen.
Da war nicht Einer, den es verdroß,
Die Ehre war auch gar zu groß!
So machte die Herrschaft uns Besuch,
Indeß zu Hause, ganz im Stillen,
Sie legte, natürlich um unsertwillen,
Sich Rodel an und Lagerbuch.
Es sollte wahrlich baß uns frommen,
Und wißt ihr, wie es dann gekommen?
Nach hundert und aberhundert Jahr,
Als keiner der Frühern am Leben war,
Sie that als ob von Alters her
Der Wald ihr freies Eigen wär.
Was half es, ob Unsereiner schmollte?
Sie ließ zum Wald nur, wen sie wollte.
Zuletzt sie trat mit Siegel und Brief
Vor den verblüfften Bauer und rief:
Enthalte sich Jeder, dem Wald zu schaden,
Die Nutzung habt ihr nur aus Gnaden,
Dieweil seit unfürdenklicher Frist
Die Herrschaft Herr des Waldes ist.
Das steht in unserem Lagerbuch,
Drum denkt an keinen Streitversuch!
So hat von je die klügre Hand
Den Stiel gedreht, das Blatt gewandt.
Uns aber, die wir nichts aufgeschrieben,
Ist nicht ein Raitel mehr verblieben,
Uns, einstmals Herrn der Waldespracht,
Wird nun der Grashalm streitig gemacht!
Weß ist der Wald nach Recht und Fug?

Der Förster sprach es oft genug,
Er sprach, und mit bedächtgem Munde:
Ja hättet von eurem Recht ihr Kunde,
Ihr führet zu der Herrschaft Qual
Mit silbernen Pflügen allzumal!

Nun schnaubet ihr uns und flucht uns an
Was haben wir euch zu leid gethan?

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Eduard Brauer: Gaggenau

Wer sitzt im warmen Stübchen?
Ein Mädchen und ein Bübchen,
   Großmutter sitzt und spinnt,
Läßt sich ein Weilchen quälen,
Bis daß sie zu erzählen
   Mit leisem Mund beginnt:

                       * * *

War einst ein Hirtenknabe,
Der nannt’ als einz’ge Habe
   Ein junges Gänschen sein,
Doch ach! vor Baden’s Thoren
Hat sich das Thier verloren
   Zu Hansen’s bitt’rer Pein.

Er rennt von Ort zu Orte,
Er klopft an jede Pforte,
   Kehrt hoffnungslos zurück,
Verloren bleibt sein Gänschen
(O Hänschen, armes Hänschen!)
   Verloren all’ sein Glück

Und bei der Murg Gestaden
Hin sinkt er mühbeladen
   Und klagt des Herzens Noth
Den Wellen und den Winden:
„Läßt sich die Gans nicht finden,
   So wein’ ich mich zu Tod’!“

Da kommt ein bucklig Männchen,
Nicht höher als drei Spännchen,
   Vom grünen Berg herab
Und spricht: „Nach Gernsbach wand’re
Und stiehl dir eine and’re,
   Du dummer Hirtenknab.“

Doch Hänschen sagt: „Mit nichten
Mag ich das Ding verrichten,
   Die Ehr’ ist mir zu lieb,
Viel eher wollt’ ich laufen,
Mein letztes Hemd verkaufen,
   Als daß ich würd’ ein Dieb!“

Kaum war dies Wort gesprochen,
Hat lachend sich verkrochen
   Der kleine Schelm, der Zwerg;
Ein Gagagg tönt vernehmlich,
Husch, husch, da schlüpft bequemlich
   Das Gänschen aus dem Berg.

Vor Freuden tanzt mein Hänschen,
Und flügelnd setzt das Gänschen,
   Sein heit’res Gagagg fort;
Bald flog durch’s Thal die Kunde,
Und von derselben Stunde
   Heißt Gaggenau der Ort.

                       * * *

Das Mädchen und das Bübchen
Im traulich warmen Stübchen
   Sind seelig eingenickt.
Großmutter sitzt im Stuhle,
Sie sitzt und dreht die Spule
   So fleißig und geschickt.

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Julius Hetterich: Das Lichtlein vom St. Annaberge bei Altensteig

Man sieht zur Nachtzeit manchesmal
Ein Lichtlein hin und her sich winden
Am Berge dort, bald sinkt’s ins Thal,
Bald neigt sich’s zu des Waldes Gründen.
Hoch von der Bergstadt Häusern sieht
Der Blick hinüber, wo der Flimmer
Weit durch das Feld die Streifen zieht
Aufflammernd wie in bleichem Schimmer.

Dort oben stand in alter Zeit
Ein Kirchlein an des Berges Halde,
Der heil’gen Anna war’s geweiht,
Hell glänzend schaut es aus dem Walde,
Wo seitwärts rauh des Thales Schlucht;
Indem’s den Pilgrim freundlich ladet,
Und mancher Waller drinnen sucht
Und findet Frieden hochbegnadet.

Nur Eine nicht, – ja die im Schmerz
Das Kirchlein selbst als Opfer weihte,
Sie fand nicht Frieden für ihr Herz,
Und Gram und Leid war ihr Geleite.
Die Arme, ach, war eine Braut
Von edlem Stamm, der Burg entsprossen,
Vom Krieg den Liebsten sie nicht schaut
Zurückgekehrt mit den Genossen.

Herb hatte sie den Mann gekränkt,
Im Groll war er zum Kampf gezogen,
Da ist’s ihr, als zurück sie denkt,
Sie hätt’s verschuldet, ihn betrogen
Und in den Tod getrieben ihn
Als seine Mörderin; o Frieden
Kam ihr nicht mehr, sie welkt dahin,
Seit er für immer war geschieden.

Wohl tönt’ vom heil’gen Land sein Ruhm,
Eh’ Siechtum seine Kraft verzehrte,
Da weihte sie das Heiligtum
Der Heil’gen, die sie fromm verehrte,
Daß ihre Huld ihn brächt’ zurück,
Und als das Kirchlein war vollendet,
Da trat sie täglich ein, den Blick
In Seelenqual emporgewendet.

Und er kam nicht. Dem Fernen nach
Die Arme sinkt ins Grab, o lange
Hat sie geharrt, und Tag um Tag
Gefleht mit Sehnen heiß und bange.
Wohl sah man später manche Schar
Von Pilgern zu dem Kirchlein wallen
Und bringen fromm die Gaben dar. –
Vorüber ist’s, längst ist’s zerfallen.

Doch ob verweht die Spur ist ganz,
Der heil’gen Anna Namen führet
Noch heut’ der Berg, den Steig ein Kranz
Von thät’ger Bürger Häuser zieret.
Nur wo dereinst das Kirchlein stand,
Da steigt gar oft in nächt’ger Weile
Ein Lichtlein auf, zu Waldes Rand
Kreist’s hin und her, bald fliegt’s in Eile;

Bald! über Furchen, Pfade hin
Schwebt’s ob den Höh’n; mit einemmale,
Als wollt’ es ängstlich matt entflieh’n,
Sinkt es im Ruck hinab zum Thale.
Wie Totenflimmer glänzt der Schein.
Ist es des Fräuleins Geist, der bange
Dort oben suchend irrt allein
Geweckt von heißem Sehnsuchtsdrange?

Sucht sie ihr Kirchlein, ihre Not
Zu legen vor der Heil’gen nieder?
Sucht sie den Bräut’gam noch im Tod,
Daß er Versöhnung bringe wieder?
Und ist’s umsonst, dann hoffnungslos
Sinkt sie im Grund, im Wald verborgen
Aufs neu der Nacht in ihren Schoß,
Eh’ denn aufdämmernd naht der Morgen.

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August Schnezler: Der Schlangenhof im Schappacher Thal

Im Gute des Bauern dort hinten im Thal,
Da nisten die Schlangen in mächtiger Zahl.

Sie füllen das Haus ihm, den Hof und den Stall
Mit buntem Gewimmel fast überall.

Doch thun sie kein Leids, weder Menschen noch Vieh,
Die friedlichen Leutchen gefährden sie nie.

Sie leben vertraulich mit Herr und Gesind,
Sie leihn sich gemüthlich zum Spiele dem Kind.

Gern nehmen sie Theil an dem ländlichen Mahl,
Da schlürfen sie zierlich die Milch aus der Schal’.

Das Heu in der Scheune, so duftig und weich,
Das ist ihres Königes Sitz und Bereich.

Das Haupt ihm ein goldenes Krönchen umkränzt,
Mit Perl’ und Demant und Karfunkel durchglänzt.

Er wird als Beschützer des Gutes verehrt,
Darin sich die Fülle des Segens vermehrt;

Als hätt’ er’s umzogen mit magischem Bann,
Daß keinerlei Mißgeschick treffen es kann;

Nicht Krankheit noch Seuchen bedrängen es je,
Kein Sturm und Gewitter, kein Hagel und Schnee.

Die Schlangen sie bringen nur Glück in das Haus,
All’ anderen Gütern blüht dieses voraus. –

Als aber der biedere Bauer verstarb,
Ein Anderer käuflich das Hofgut erwarb.

Der war gar ein falscher und geiziger Mann
Und gegen die Schlangen ein wahrer Tyrann.

Ab hieb er dem König das glitzernde Haupt,
Das goldene Krönchen er gierig ihm raubt.

Dann jagt er die Schlangen aus Hof und aus Haus,
Aus Keller und Küchen und Feldern hinaus.

Doch freut er nicht lange des Segens sich mehr,
Der drinnen gewaltet – er büßet es schwer!

Denn Alles verdirbt ihm, als wär’ es verflucht:
Die Heerden, die Gärten, die Wiesen, die Frucht.

Das stattliche Haus, es geräth in Zerfall
Von der Fluth des Gebirgs unterwühlendem Schwall.

Und als er einst Nachts, wie seit lange ja schon,
Sich wälzt auf dem Lager, vom Schlummer geflohn;

Da hört er ein Wispern und Schleichen ringsum,
Ein Zischen und pfeifender Stimmchen Gesumm.

Da ringelt sich’s ihm um den Nacken so kalt,
Umschlingt ihm die Glieder mit Riesengewalt;

Da züngeln viel Hundert von Schlangen ihn an,
Mit betäubendem Odem, mit spitzigem Zahn.

Sie halten mit rächender Wuth ihn umstrickt;
Sein Schreien, sein Röcheln, – bald ist es  e r s t i c k t.

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