Archiv der Kategorie: Ludwig Egler

Ludwig Egler: Die große Glocke zu Killer

Wenn du auf deinem Wandergang
  Durch’s Killerthal gekommen,
Hat einer schönen Glocke Klang
  Vielleicht dein Ohr vernommen.

Und hat des Klanges sanfter Hauch
  Umweht dich aus der Ferne,
Hörst du gewiß die Sage auch
  Von dieser Glocke gerne.

In Killer hängt sie, schallet hehr
  Vom Thurm undenkbar lange
Und theilte oft Gewitter schwer
  Mit ihrem mächt’gen Klange.

Da kamen, drohend wie ein Sturm,
  Durch’s Thal einst wilde Horden;
Die schöne Glocke in dem Thurm,
  Sie ist ihr Raub geworden.

Doch bald darauf, wie wunderbar!
  Von keiner Hand geschwungen,
Hat wiederum vom Thurm ins Thal
  Die Glocke laut geklungen.

Es war, als sagte ihr Geläut’:
  „Zu Killer muß ich bleiben,
Muß es beschützen jederzeit,
  Die Wetter schwer vertreiben.“

Und seitdem schätzt sie Jung und Alt
  Des seltnen Wunders wegen,
Und Andacht waltet, wenn sie hallt,
  Zum frommen Abendsegen. –

Anmerkungen zur Ballade anzeigen

Veröffentlicht unter Ludwig Egler, Schwäbische Alb | Hinterlasse einen Kommentar

Ludwig Egler: Der Gänsefuß im Stadtwappen zu Hechingen

                                          „Sie sind bekannt im ganzen Reiche,
                                        Man nennt sie halt nur Schwabenstreiche.“
                                                                                Uhland.


  Es hat schon frühe Wunder mich genommen,
Wie in das altehrwürd’ge Wappenschild
  Der Zollernstadt ein Gänsefuß gekommen,
Was wohl darin das wunderliche Bild
  Bedeuten möge, was es sollte frommen,
Stets war es in Geheimniß mir gehüllt;
  Und wie ich forschen mochte oder fragen –
  Es konnte Niemand mir die Antwort sagen.

  Da schlich ich einst zu abendlicher Stunde
In’s altersgraue Rathhaus mich, das tief
  In seinem festen, mau’rumwölbten Grunde
Verbirgt ein halbvergessenes Archiv,
  Zu suchen da, ob mir nicht eine Kunde
Könnt’ Auskunft geben, ein vergilbter Brief.
  Der Vollmond ließ soeben in die feuchten
  Gewölbe seinen Silberschimmer leuchten.

  Und wie ich lange forschend da gestanden
Und las in dem vermoderten Papier,
  Erklang die Eisenpfort’ in ihren Banden –
Ein geisterhafter Schauer nahte mir
  Und Angstgefühle meine Brust umwanden.
„Du junger Naseweis! was schaffst du hier?“
  So gellte hohl und dumpfig eine Stimme
  Zu meinem Ohre mit verbiss’nem Grimme.

  Erzitternd wagte kaum ich aufzuschauen –
Sieh, da erhellte sich die schwarze Wand
  In einem Lichte, einem himmelblauen,
Und vor mir ein gewalt’ger Riese stand.
  Es überlief mich noch ein tief’res Grauen,
Als ich erblickte seine Knochenhand.
  Denn die Gestalt erschien mir in dem Bilde
  Urdeutscher Krieger, so barbarisch wilde.

  „Was schaffst du hier?“ So grinst zum zweiten Male
Der fürchterliche Knochenmann mich an –
  Erglühend noch in einem hellern Strahle –
Schon glaubte ich, es sei um mich gethan.
  Zurücke an die Mauer, an die kahle
Mich stützend, sagt’ ich bebend meinen Plan:
  Und sieh, des Mannes Augen freundlich glühten,
  Die eben zornentbrannt noch Funken sprühten:

  „O du, der Erste, den ein solches Streben
Bewog in diese finstre Gruft zu seh’n,
  Darin zu forschen nach der Väter Leben,
Sei ohne Furcht, es soll dir nichts gescheh’n.
  Ich werde selbst dir Rath und Aufschluß geben,
Du sollst nicht lange mehr hier ängstlich steh’n
  Und furchtlos dich mit deinem Forschen quälen –
  Ich will dir alles, was du suchst, erzählen.

  „Ich bin  H a c h u n g u s , meinen Namen kündet
Das Heldenbuch der Alemannen laut.
  I c h  h a b e  d i e s e  g u t e  S t a d t  g e g r ü n d e t ,
Darin das Licht der Welt du einst geschaut.
  Zwar ward sie erst, wo sich die Starzel windet,
Durch’s weite Thal auf eb’nen Grund gebaut;
  Doch da schien es ihr nicht sehr zu behagen,
  Sie ließ herauf sich auf die Höhe tragen.

  „Die Zollergrafen kamen ihr entgegen –
Auch ihnen war die alte Burg zu klein,
  Sie strebten eine neue anzulegen,
Mit der verjüngten Stadt vereint zu sein.
  Bald sah man nun herab auf fernen Wegen
Den Bau erglüh’n im hellen Sonnenschein:
  Das war ein Schloß, so prächtig und erhaben,
  Wie kaum ein Fürstensitz im Lande Schwaben.

  „Die Stadt war angelegt mit vielen Gassen,
Gerad und eckig, wie noch heut zu seh’n –
  Man ließ mit Thürm’ und Mauern sie umfassen,
Damit ihr niemals könnte Leid’s gescheh’n.
  Am Markte war ein großer Raum gelassen –
Ob da vielleicht das  R a t h h a u s  sollte steh’n:
  O diese Frage machte viel Beschwerden,
  Darüber konnt’ der Rath nicht einig werden.

  „Und als er, diese Sache zu berathen
Auf off’nem Markte einst versammelt war –
  Wie sonst die Bürger alter Städte thaten –
Und ihm doch nichts von Allem wurde klar,
  Sieh da, in einem langen Reigen nahten
Harmlose Gänse. Eine aus der Schaar,
  Die Erste, ließ ein solch’ Geschnatter hören,
  Als wollte sie den Rath mit Absicht stören.

  „Der Bürgermeister mit der weisheitsvollen
Bebrillten Nase, wohlgenährtem Bauch,
  Darin sein Witz verborgen, schrie: „Was sollen
Die Gänse hier? Ist das wohl Recht und Brauch
  Den Rath zu stören?“ Zornig aufgequollen
Hob er den Stock, zog seinen Degen auch.
  Und wollte so die Gans zur Ruhe bringen;
  Doch diese floh davon auf leichten Schwingen.

  „Mit ihr der ganze Schwarm. In hohem Tone
Ergriff der Bürgermeister nun das Wort:
  „So lasset uns denn aller Häuser Krone
Das hehre Rathhaus bauen an den Ort,
  Wo die sich niederließ, die uns zum Hohne
Geschnattert, an des Berges Abhang dort.
  Da sei es, wo ihr Fuß gedrückt die Erde –
  Zu Ende dann ist unsere Beschwerde.“

  „Und seinen Beifall, klatschend in die Hände,
Gibt laut der Rath dem Meisterspruch gar schön,
  Im Herzen froh, daß alles nun zu Ende.
So gingen sie zusammen um zu seh’n,
  Wie es sich mit dem Platze wohl bewende
Und wo ihr einstig Rathhaus werde steh’n –
  Da weilt’ die Gans und hob den langen Kragen,
  Als wollte sie: „Was wünscht ihr von mir?“ fragen.

  „Der Platz war gut und Alles stand im Klaren,
Das Rathhaus wuchs heran, ein mächt’ger Bau,
  So wie es jetzt noch steht nach vielen Jahren,
Obgleich zerrüttet nun und altersgrau.
  Und als der Graf des Landes auch erfahren
Den Gänsezwist und ihn erforscht genau,
  Da rief er laut: Ihr Meister aller Schwaben,
  Sollt nun den Gänsefuß im Wappen haben.

  „Seitdem sieht man allhier im Wappen prangen
Den  G ä n s e f u ß . Noch aber weißt du nicht,
  Wie es seit meinem Sterben mir ergangen:
Dies soll dir kurz vermelden mein Bericht.
  Noch trug ich tief nach meiner Stadt Verlangen,
Als mich der Tod entführt dem Erdenlicht,
  Darum ich auch nach ihr den Flug gerichtet,
  Als aus dem Schattenreiche ich geflüchtet.

  „Doch als die Stadt vom alten Platz gewichen
Und nur noch da ein altes Kirchlein stund,
  Da bin auch ich ihr endlich nachgeschlichen,
Mich bergend hier in diesen finstern Grund.
  Jahrhunderte sind nun seitdem verstrichen –
Gar manches sah ich, Manches ward mir kund,
  Die gute Stadt, ergraut in ihren Jahren,
  Hat vom Geschicke vielerlei erfahren.“

  Noch sprach der Geist – als plötzlich seine Worte
Erzitterten, denn von dem Thurme schon
  Schlug Ein Uhr es und durch die Eisenpforte
Entschwand er rasch; auch mich trieb es davon.
  Nicht länger wollt ich weilen an dem Orte,
Wo ich vernahm den dumpfen Geisterton;
  Doch war ich froh der Lösung meiner Frage,
  Dir nun enthüllt ist für die künft’gen Tage.

  Stets wollt ich meine Vaterstadt dich ehren,
Und wenn ich eben dieses Lied dir sang,
  Geschah es nicht im Spott dich zu versehren:
Es ist ja bei den Schwaben so im Schwang,
  Daß gern sie  g e g e n  s i c h  die Streiche kehren.
Ist eine Stadt im Land von gutem Klang,
  Weiß zu erzählen sie bei aller Ehre
  Von sich auch immer eine Schwabenmäre.

Anmerkungen zur Ballade anzeigen

Veröffentlicht unter Ludwig Egler, Schwäbische Alb | 2 Kommentare

Ludwig Egler: Das Reich der Sage

Es war ein Frühlingsabend. Sanft erglühte
  Der Himmel in der Sonne Rosenpracht.
Ich ging im Walde, der im Mai erblühte,
Mit stiller Lust erbauend mein Gemüthe
  In seiner ahnungsvollen Schattennacht.
Aus duftigem Gezweige wehten nieder
Der muntern Waldessänger Erstlingslieder.

So stieg ich denn im Hauch der Abendlüfte
  Den Berg hinan, den gold’nes Licht umfloß,
Und athmete die süßen Kräuterdüfte
Am Waldbach, der sich donnernd in’s Geklüfte
  Im Silberschaume über Felsen goß.
Mir war, als ob aus den verborg’nen Tiefen,
Wie Geisterlaut, geheime Stimmen riefen.

Und weiter ging ich auf verschlungnen Wegen,
  Da, in der stillen Waldeseinsamkeit,
Sah ich die Zweige flüsternd sich bewegen –
Und eine Jungfrau trat mir hold entgegen
  Im Kleide ältester Vergangenheit.
Sie grüßte mich und blieb vertraulich stehen,
Als hätte sie mich längst und oft gesehen.

Und ich auch hab’ die Liebliche gefunden,
  Als hätt’ ich oft geschaut ihr Angesicht,
Wenn in dem Kreise stiller Weihestunden
Zu mir gesprochen grauer Vorzeit Kunden,
  Wie Waldesrauschen in dem Abendlicht.
Und horch! Sie lispelte: „Ich bin die S a g e ,
Die treue Tochter längst vergang’ner Tage.“

„Komm in mein Reich, die Wunder, die ihm eigen,
  Sie seien alle deinem Blick enthüllt,
Du sollst mit m i r des Berges Höh’ ersteigen,
Der ganzen Vorzeit Bild will ich dir zeigen,
  Gewiß von Freude wird dein Herz erfüllt.
Und was gescheh’n vor grauen Sturmesjahren
Im Heimathland will ich dir offenbaren.“

Wie gerne bin ich mit ihr hingegangen,
  Von seltener Erwartung angeregt,
Zerflossen war des Purpurlichtes Prangen
Im Dämmerschein, und aus dem Thale klangen
  Die Abendglockenhalle, sanft bewegt
Vom Hauch des Westes, der die Fluren kühlte
Und in der Bäume Blätterkronen spielte.

Die waldesdüstern Räume wurden freier;
  Da leitete der Felsenpfad empor
Zu eines Schlosses stattlichem Gemäuer,
Rings prangend in des Epheu’s Frühlingsschleier,
  So malerisch. Wir traten durch das Thor.
Da führten lange Gänge, halbzerfallen,
Uns in des Rittersaales Marmorhallen.

Ich staunte an die Rüstungen, die alten,
  Wie einst im Kampf sie trug der kühne Held.
Als würde Leben noch in ihnen walten,
So sah’n auf mich die riesigen Gestalten
  Der Ritterbilder, die da aufgestellt.
Ich schaute auch die Helden des Gesanges
Mit ihren Harfen, einst so vollen Klanges.

Es hielt mein Geist beglückt an diese Orte,
  Von ahnungsvoller Weihe sanft beführt;
Da mahnt die Führerin mit leisem Worte
Zu folgen ihr. Sie öffnet eine Pforte,
  Und in das Freie wurde ich geführt,
Allwo sich mir, von selt’nem Licht umflossen,
Die wundervollste Landschaft aufgeschlossen.

„Das ist mein Reich,“ hub freundlich an die Sage,
  „O, nur im Lied aus meinem Herzen spricht
Die tiefe Liebe, die ich zu ihm trage.
Sieh an die Herrlichkeiten alter Tage,
  Erstrahlend, wie der ew’gen Sterne Licht;
Was sich der heut’gen Welt nur zeigt in Trümmern,
Das siehst du hier in alter Größe schimmern.“

„Sieh, deine Heimath in dem Prachtgewande
  Des Alterthumes ist sie hier zu schau’n!
Noch ragen ihre Burgen in die Lande,
Hoch über Klöstern, die vom Hügelrande
  Wie Engel lächeln in die Blüthenau’n.
Die Felsen glüh’n im abendrothen Glanze
Aus dunkler Wälder maienfrischem Kranze.“

Entzückt sah ich in die verklärte Runde,
  Auf deren Wunder mich die Sage wies,
Indessen ich vernahm aus ihrem Munde
Voll süßem Reiz gar manche schöne Kunde
  Der alten Zeit, die sie mir feiernd pries.
U n d  w a s  s i e  m i r  e r z ä h l t ,  h i e r  b r i n g ’  i c h ’ s  w i e d e r
G e t r e u  d e r  H e i m a t h  z u  d u r c h  m e i n e  L i e d e r .  –

Anmerkungen zur Ballade anzeigen

Veröffentlicht unter Ludwig Egler, Schwäbische Alb | Hinterlasse einen Kommentar