Karl Simrock: Der Nixenquell

Ein Ritter zieht mit hohem Muth,
Wenn sich der Schatten längt,
Wohl an des Brunnens kühle Flut,
Wo Liebchen ihn empfängt.
Er fragt sie nicht, woher sie kam
Und nicht, wohin sie geht;
Das macht ihm wenig Sorg und Gram,
Wenn sie ihn traut umfäht.

Doch wenn das Nachtgeläute schallt,
Beim ersten Glockenschlag,
Ist sie verschwunden in dem Wald,
Er blickt ihr trauernd nach.
Und länger hält sie nicht sein Flehn,
Sein Bitten nicht zurück:
„Und blieb ich noch, so wärs geschehn
Um unsrer Liebe Glück.“

Der Ritter nimmt ihr Wort in Acht
Geschreckt von ihrem Drohn,
Doch ach, in jeder Liebesnacht
Ist sie zu früh entflohn.
Zum Glöckner jagt er drum und beut
Ihm Gold und grüne Flur,
Verschöb er heut sein Nachtgeläut
Ein Viertelstündchen nur.

Da er sein Lieb am Brunnen fand,
Da nimmt er sie in Arm,
Hält sie mit Inbrunst fest umspannt
Und herzt und küßt sie warm.
Die Arme, die von Liebe glüht,
Vergißt der Stunden Lauf,
Doch am Gebirge blutig zieht
Der Vollmond schon herauf.

Und wie sie den Betrug erfand:
„Was hast du, Thor, gethan?
Zerrissen hast du unser Band
In blöder Liebe Wahn.“
Umsonst, daß er die Hände ringt,
Wie er auch fleht und thut,
Sein trautes Liebchen heulend schwingt
Sich in die Nixenflut.

„Der Nixenquell“ von Karl Simrock (1802–1876) ist eine von zahlreichen Bearbeitungen einer Sage aus dem Kraichgau, die zuerst 1806 von Albert Ludwig Grimm in der von Aloys Schreiber herausgegebenen „Groß-Herzoglich privilegierten Wochenschrift für die Badischen Lande“ veröffentlicht wurde. Von dort gelangte sie unter anderem in prominente Sagensammlungen wie Friedrich Gottschalcks „Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen“ (1814) sowie die „Deutschen Sagen“ der Brüder Grimm (1816) und in der hier vorliegenden Versform in Karl Simrocks „Rheinsagen“.

Simrocks Version weicht im Gegensatz zu den anderen Bearbeitungen inhaltlich von der ursprünglichen Prosasage stark ab, wurde jedoch explizit unter Angabe des Ortes „Epfenbach bei Sinzheim“ abgedruckt. In der Sage von Albert Ludwig Grimm waren es drei Jungfrauen, die allabendlich die dörfliche Spinnstube besuchten und dort das Interesse der Dorfburschen weckten. Man nannte sie „die Jungfrauen aus dem See oder die drei Schwestern aus dem See“. Sie mussten stets um 11 Uhr die Gesellschaft verlassen. Um mehr Zeit mit den Mädchen verbringen zu können, stellte ein Bursche dann eines Tages die Dorfuhr eine Stunde zurück. Die Jungfrauen blieben an dem Abend tatsächlich länger, kamen danach jedoch nie wieder. Auf dem See sah man am nächsten Tag drei blutige Stellen im Wasser und hörte „klägliches Gewimmer“. So und ähnlich ist die Sage auch an zahlreichen anderen Orten belegt.

Ab der 1850 erschienenen vierten Auflage der „Rheinsagen“ findet sich an der entsprechenden Stelle die Ballade „Der Nixenteich“ von Simrocks Freund Gottfried Kinkel. Dies war sicher kein Zufall, hatte doch Simrock gerade in diesem Jahr Kinkels einstige Stelle an der Universität Bonn übernommen, während jener wegen seiner Beteiligung an der Revolution in Haft saß. Die Veröffentlichung seines Textes war für Simrock wohl eine Form von Solidaritätsbekundung für seinen inhaftierten Freund.

Ausführliche Erläuterungen

Jiří Hönes – Karl Simrock: Der Nixenquell (2013, überarbeitete Fassung 2017)
[PDF]

Zum Autor

Jiří Hönes – „Zieh nicht an den Rhein“ – der Bonner Germanist, Übersetzer und Dichter Karl Simrock (2013, überarbeitete Fassung 2017)
[PDF]

Downloads

Der Nixenquell (Rheinsagen)
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Der Nixenquell (Badisches Sagen-Buch)
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Albert Ludwig Grimm: Die Jungfrauen aus dem See
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Gottfried Kinkel: Der Nixenteich
[PDF]

Links

Wikipedia: Karl Simrock

Wikisource: Karl Simrock, Quellen und Volltexte

Karl-Simrock-Forschung

Quelle

Karl Simrock: Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter.
Eduard Weber.
Bonn 1837.
S. 294–295.
[Uni Düsseldorf]

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