Eduard Brauer: Die Spieleiche im Hagenschießwald bei Pforzheim

Badische Sage.

Vom tannengrünen Hagenschieß
Scholl Hörnergruß und Bellen,
Es jagten dort mit Bogen und Spieß
Zwei edle Waidgesellen.

Der Markgraf und der Junker frei
Erlegten Hirsch und Hasen,
Und nach der lustigen Jägerei
Im Moos die Jäger saßen.

Da saßen sie und tranken baß
Im Schutz der alten Eiche,
Heiß war der Tag, und voll das Faß
Vom besten Wein im Reiche.

Der eine sprach: „Mein Jünkerlein,
Ich kann dir’s nicht verschweigen,
Dein Hagenschieß ist wunderfein,
Ich wollt’, er wär mein eigen!“

Der Andre sprach: „O Markgraf mein,
Ich kann dir’s nicht verschweigen,
Ein Engel ist dein Töchterlein,
Ich wollt’, es wär mein eigen!“

„„Das Fürstenkind, ich weiß es schon,
Wird nimmermehr zu Theil mir,
Doch nimmer auch um andern Lohn
Mein grünes Erbe feil mir!““

Der Markgraf wirft in tollem Muth,
Drei Würfel in den Becher:
„Fortuna ist dem Kühnen gut,
Wirf an, du kühner Sprecher.“

„Ist mein der Sieg, so giebst du mir
Dein Hagenschieß zum Lohne,
Ist dein der Sieg, so geb’ ich dir
Zum Lohn der Frauen Krone.“

Es gilt; schon tanzen kühn und rasch
Die Würfel feingeglättet,
Der Markgraf trifft den höchsten Pasch,
Der Junker hat verwettet.

„„Fahr hin, du grüner Hagenschieß,
Fahr wohl, du Zier der Frauen,
O Heimat, Jugendparadies,
Ich will euch nicht mehr schauen.““

„„Will jagen nun wie Sturmesweh’n
Im dichtesten Wald der Speere,
Wo purpurrothe Röslein steh’n,
Mein Herzlieb sei die Ehre.““

Die Ballade von der Spieleiche bei Pforzheim erschien erstmals im „Musen-Almanach für das Jahr 1855“ von Otto Friedrich Gruppe. Der Verfasser Eduard Brauer (1811–1871) war seinerzeit als Hofgerichtsrat in Mannheim tätig und als typischer Dichterjurist bereits seit jungen Jahren poetisch tätig. Neben August Schnezler war er einer der Hauptlieferanten badischer Sagenballaden, seine Dichtungen sind in zahlreichen Sagensammlungen und Musenalmanachen der Biedermeierzeit und der Reaktionsära zu finden. Zudem hat er mit den „Badischen Sagenbildern in Lied und Reim“ eine eigene Sammlung herausgegeben.

Brauer hatte in den 1840er-Jahren einige Zeit in Pforzheim gelebt und mehrere Pforzheimer Sagen poetisch bearbeitet. Die hier vorliegende Spieleichensage ist bis heute bekannt und existiert in zahlreichen Varianten. Schon mancher Lokalhistoriker hat sich mit den Gründen für ihre Entstehung befasst. Die älteste bekannte Version erschien 1851 in Bernhard Baaders „Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden“:

„Der Hagenschießwald bei Pforzheim gehörte den Freiherren von Leutrum, wurde aber von einem derselben an den Markgrafen von Baden im Würfelspiel verloren. Dies geschah unter einem Eichbaum des Waldes, welcher davon noch heute die  S p i e l e i c h e  heißt.“

Der Vergleich mit diesem knappen Bericht zeigt, dass – außer dem Würfelspiel an sich – nahezu die ganze Handlung in Brauers Ballade dichterische Erfindung ist. Schon die Jagdszene, in welche das Geschehen eingebettet ist, wird weder bei Baader noch in anderen Varianten erwähnt. Dies mag noch als poetisches Beiwerk durchgehen, der eigentliche Eingriff in die Vorlage ist der Einsatz, um den gewürfelt wird. Ging es ursprünglich nur um den Wald, bringt Brauer die Tochter des Markgrafen ins Spiel. Aus Sicht der damaligen Sagenforschung war dies sicherlich unverzeihlich, poetisch gesehen dagegen ein nachvollziehbarer Schritt: Schließlich wurde in der Vorlage überhaupt nicht erwähnt, was denn der Spieleinsatz des Markgrafen war.

Die heute so bezeichnete Spieleiche an der Straße vom Seehaus nach Tiefenbronn ist nicht identisch mit derjenigen aus der Sage. Diese dürfte – sofern sie überhaupt existiert hat – im gleichnamigen Waldabteil gestanden haben, welches sich etwa zwei Kilometer nordöstlich an der Grenze zu Wurmberg befindet. Nach Gerhard Leutrum von Ertingens Leutrum’scher Familienchronik wurde sie um 1840 gefällt.

Ausführliche Erläuterungen

Jiří Hönes – Eduard Brauer: Die Spieleiche im Hagenschießwald bei Pforzheim (2014, überarbeitete Fassung 2017)
[PDF]

Zum Autor

Jiří Hönes – Sagenbilder in Lied und Reim – der badische Dichter Eduard Brauer (2014, überarbeitete Fassung 2017)
[PDF]

Downloads

Die Spieleiche im Hagenschießwald bei Pforzheim (Deutscher Musen-Almanach für das Jahr 1855)
[PDF]

Die Spieleiche im Hagenschieß bei Pforzheim (Badische Sagenbilder in Lied und Reim)
[PDF]

Bernhard Baader: Die Spieleiche
[PDF]

Karl Hermann Klaiber: Der Badische Hagenschieß und seine württembergische Umgebung (Auszug)
[PDF]

Paul Langhammer: Der nackte Mann
[PDF]

Links

Wikipedia: Eduard Brauer

Wikisource: Eduard Brauer, Quellen und Volltexte

Quelle

O.F. Gruppe (Hrsg.): Deutscher Musen-Almanach für das Jahr 1855.
Druck und Verlag von Georg Reimer.
Berlin.
S. 100–102.
[Google Books]

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