Ludwig Egler: Die große Glocke zu Killer

Wenn du auf deinem Wandergang
  Durch’s Killerthal gekommen,
Hat einer schönen Glocke Klang
  Vielleicht dein Ohr vernommen.

Und hat des Klanges sanfter Hauch
  Umweht dich aus der Ferne,
Hörst du gewiß die Sage auch
  Von dieser Glocke gerne.

In Killer hängt sie, schallet hehr
  Vom Thurm undenkbar lange
Und theilte oft Gewitter schwer
  Mit ihrem mächt’gen Klange.

Da kamen, drohend wie ein Sturm,
  Durch’s Thal einst wilde Horden;
Die schöne Glocke in dem Thurm,
  Sie ist ihr Raub geworden.

Doch bald darauf, wie wunderbar!
  Von keiner Hand geschwungen,
Hat wiederum vom Thurm ins Thal
  Die Glocke laut geklungen.

Es war, als sagte ihr Geläut’:
  „Zu Killer muß ich bleiben,
Muß es beschützen jederzeit,
  Die Wetter schwer vertreiben.“

Und seitdem schätzt sie Jung und Alt
  Des seltnen Wunders wegen,
Und Andacht waltet, wenn sie hallt,
  Zum frommen Abendsegen. –


Die Ballade „Die große Glocke zu Killer“ des Hechinger Dichters Ludwig „Louis“ Egler erschien erstmals 1861 in dessen Sammlung „Aus der Vorzeit Hohenzollerns“. Es handelt sich um die Versform einer in zahlreichen Varianten auftretenden Glockensage. Schauplatz ist in diesem Fall der Ort Killer im einstigen Fürstentum Hohenzollern-Hechingen, heute Teil der Stadt Burladingen. Die in der Sage erwähnte Glocke wurde aufgrund eines Risses im Jahr 1832 bei der Reutlinger Glockengießerei Kurz umgegossen und musste 1917 im Zuge der Kriegsmetallsammlung abgeliefert werden.

Eglers Ballade ist das älteste schriftliche Zeugnis dieser Sage. In der 1894 erschienenen zweiten Ausgabe seiner Sagensammlung, „Mythologie, Sage und Geschichte der Hohenzollernschen Lande“, erwähnte er sie zudem in äußerst knapper Form in Prosa. Wesentlich detaillierter ist eine mündlich überlieferte Variante aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die der Heimatforscher Roland Simmendinger unter dem Titel „Die Sage von der Großen Glocke in Killer“ festgehalten hat. Demnach sollen es schwedische Soldaten gewesen sein, welche im Dreißigjährigen Krieg versuchten, die Glocke zu stehlen.

Es mag ein Zufall sein, doch gibt es einen leisen Hinweis darauf, dass die Geschichte um den Glockenraub in Killer einen wahren Hintergrund haben könnte: Mitten im Dreißigjährigen Krieg, im Jahr 1628, als häufig kaiserliches Kriegsvolk in der Umgebung weilte, erhielt nach Aufzeichnungen des örtlichen Kirchenrechners ein Glockenhenkermeister 13 fl. für das Henken der großen Glocke zu Killer. Demnach war die Glocke damals vom Turm genommen worden und sollte nun wieder neu aufgehängt werden. Über einen Raub ist jedoch Simmendinger zufolge nirgends etwas dokumentiert. Denkbare Erklärungen für diese Notiz gibt es viele. Möglicherweise war die Glocke tatsächlich zum Zweck des Abtransports herabgenommen worden und blieb dann jedoch zurück. Denkbar ist ebenso, dass sie vom Turm genommen wurde, um einen solchen Raub gerade zu verhindern. Zuletzt können genauso gut Reparaturarbeiten am Glockenstuhl oder an der Glocke selbst die Ursache sein.

Sollte die Neuaufhängung jedoch tatsächlich mit einem vereitelten Raub zusammenhängen, dann kann dieser schwerlich den Schweden angelastet werden. Diese traten erst 1630 in die Kriegshandlungen ein.

Ausführliche Erläuterungen

Jiří Hönes – Ludwig Egler: Die große Glocke zu Killer (2014, überarbeitete Fassung 2017)
[PDF]

Zum Autor

Jiří Hönes – Ludwig Egler – Seifensieder, Kommunalpolitiker, Redakteur und Dichter aus Hechingen (2012, überarbeitete Fassung 2017)
[PDF]

Downloads

Die große Glocke zu Killer (Aus der Vorzeit Hohenzollerns)
[PDF]

Die große Glocke zu Killer (Mythologie, Sage und Geschichte der Hohenzollernschen Lande)
[PDF]

Ludwig Egler: Mythologie, Sage und Geschichte der Hohenzollernschen Lande (Auszug)
[PDF]

Die Sage von der großen Glocke in Killer (Geschichtliche Sammlung Killer)
[PDF]

Die Sage vom Dellengeist (Geschichtliche Sammlung Killer)
[PDF]

Links

Wikipedia: Ludwig Egler

Wikisource: Ludwig Egler, Quellen und Volltexte

Quelle

Ludwig Egler: Aus der Vorzeit Hohenzollerns. Sagen und Erzählungen.
Verlag von L. Tappen.
Sigmaringen 1861.
S. 18–19.
[Google Books]


Mein herzlicher Dank gilt Herrn Roland Simmendinger, der mir das Archiv der Geschichtlichen Sammlung Killer und den Glockenstuhl zugänglich gemacht hat und mich mit zahlreichen Informationen und Schriften zur „Großen Glocke von Killer“ versorgt hat.

Dieser Beitrag wurde unter Ludwig Egler, Schwäbische Alb veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert