August Schnezler: Die Geister zu Gottesau

Zu Gottsau hört man oft in nächt’ger Stunde
Die Mönche klopfen in des Kellers Grunde.

Es pocht und schallt, als schafften ohne Ruh
Viel Küfer an den Fässern ab und zu.

Und oben in des Schlosses Hallengang,
Da rauscht und schlurft es dann so dumpf und bang;

Da geht umher ein kleines weißes Weibchen,
Den Schlüsselbund am schwarzgestreiften Leibchen.

Ihr folgt ein schwarzer Pudel immerdar,
Und rollt ein glühend Feueraugenpaar.

Wohin sie gehn hat Niemand noch gesehn,
Denn sie verwehn, sollen sie Rede stehn.

Und oben in dem kleinen Gartenzimmer,
Sitzt oft ein bleicher Mönch im Mondenschimmer.

Wehmüthig grüßt er Jeden, der ihm naht,
Fortweisend ihn mit stummer Winke Rath.

Weh dem, der sich erfrecht, die Spuckgestalten
Durch Zuruf oder Drohung aufzuhalten!

Dafür auch büßte der Nachtwächter scharf,
Der seinen Spieß nach jenem Pudel warf.

Ein Höllenschmerz durchfuhr ihm Mark und Bein,
In Ohnmacht fiel er auf den kalten Stein.

Da fand man ihn am Morgen halber todt,
Erst spät genas er noch mit knapper Noth.



August Schnezlers Ballade „Die Geister zu Gottesau“ erschien 1846 im zweiten Band seines „Badischen Sagen-Buchs“. Der in Freiburg geborene Lyriker (1809–1853) hatte den zugrunde liegenden Stoff aus Franz Joseph Mones „Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters“ übernommen. Dort war die Sage 1834 unter dem Titel „Der Hund und die Mönche zu Gottsaue“ in Prosa erschienen. Sie stammte aus den handschriftlichen Aufzeichnungen des Oberst Heinrich Medicus (1743–1828), welche in Mones Anzeiger in Auszügen publiziert wurden.

Schauplatz ist Schloss Gottesaue in der Karlsruher Oststadt. Das Anwesen hat eine überaus bewegte Geschichte als Benediktinerabtei, markgräfliches Schloss, Domänengut und Artilleriekaserne. Das heutige Renaissanceschloss, das die Hochschule für Musik beheimatet, ist ein Wiederaufbau aus den 1980er-Jahren.

Es handelt es sich um eine recht untypische Sagenballade. Gewöhnlich wählten Dichter für ihre lyrischen Bearbeitungen solche Sagen aus, die eine einigermaßen zusammenhängende Handlung aufwiesen. Bei dem hier zugrundeliegenden Prosatext handelt es sich dagegen vielmehr um eine Aneinanderreihung verschiedener Berichte über numinose Erscheinungen, deren verbindendes Element lediglich der Ort ist, an dem sie beobachtet wurden. Alle diese Motive sind ausgesprochen häufig und kommen an zahlreichen anderen Orten in ähnlicher Form vor. Berichte über umgehende Mönche sind in ehemaligen Klöstern oft anzutreffen. Schon dem Erbauer des Schlosses, Markgraf Ernst Friedrich, soll darin der Geist eines Mönchs erschienen sein.

Wie schon bei der Ballade „Der Schlangenhof im Schappacher Thal“ zeigt sich, dass Schnezler recht frei mir den Sagenstoffen umging. Er hat gegenüber seiner Quelle zahlreiche Details verändert, weggelassen und hinzugedichtet. Die exakte inhaltliche Wiedergabe der Sagen war für ihn nachrangig. Neben der Art und Weise, wie er sie poetisch bearbeitete, zeigen dies nicht zuletzt seine eigenen Aussagen im Vorwort zum „Badischen Sagen-Buch“, das er dort als „Unterhaltungsbuch“ und „romantische Hauspostille für unser Volk“ bezeichnete. Sagen waren für ihn zuallererst poetischer Stoff, den man weitgehend nach eigenen Vorstellungen umformen konnte.

Ausführliche Erläuterungen

Jiří Hönes – August Schnezler: Die Geister zu Gottesau (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Zum Autor

Jiří Hönes – August Schnezler – Postbeamter, Redakteur und Herausgeber des „Badischen Sagen-Buchs“ (2013, überarbeitete Fassung 2017)
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Downloads

Die Geister zu Gottesau
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Heinrich Medicus: Der Hund und die Mönche zu Gottesaue (Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters)
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Links

Wikipedia: August Schnezler

Wikisource: August Schnezler, Quellen und Volltexte

Quelle

August Schnezler: Badisches Sagen-Buch. Zweite Abtheilung: Von der Ortenau bis zum Mainthal.
Druck und Verlag von Creuzbauer und Kasper.
Karlsruhe 1846.
Sp. 355–356.
[Wikisource]

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