Die Ballade vom „Bonndorfer Glöckchen“ von Eduard Lynker (1806–1863) erschien 1845 im ersten Band von August Schnezlers „Badischem Sagen-Buch“. Der Autor war damals Amtsrevisor in Bonndorf im Schwarzwald und war mit Schnezler befreundet. Es handelt sich wohl um die erste schriftliche Version dieser Stiftungssage, die später noch mehrmals in Prosa veröffentlicht wurde. Auch eine frühere Veröffentlichung der Ballade, etwa in lokalen Zeitungen, konnte bislang nicht nachgewiesen werden.
Mit „Schloß Tannegg an der Wuthach“ dürfte Lynker die Ruine Neu-Tannegg gemeint haben, welche östlich des Bonndorfer Stadtteils Boll hoch über der Wutachschlucht liegt. Sie wurde im 12. Jahrhundert erbaut und ist seit dem späten 15. Jahrhundert verlassen. Godefroy Engelmann fertigte 1829 eine Lithografie der Ruine an, welche den damaligen Zustand zeigt. Die benachbarte Burg Tannegg oder Alt-Tanegg dürfte dagegen schon damals weitgehend abgegangen gewesen sein. Von ihr ist nichts erhalten.
Die älteste bekannte Prosavariante der Sage veröffentlichte der schwäbische Volkskundler Anton Birlinger 1874 in seiner Sammlung „Aus Schwaben“:
„Ein Fräulein aus der benachbarten Burg hatte sich einst im Walde verirrt. Die Nacht brach schon herein und sie hatte den Heimweg noch nicht gefunden. Voll Angst eilte sie durch den Wald und verirrte immer mehr. 3 Stunden lang ging sie; aber dann fiel sie ermattet unter einer Tanne nieder, betete inbrünstig zu Gott und gelobte ein silbernes Glöcklein stiften zu wollen, alle Nacht den Verirrten den rechten Weg zu weisen. Sieh da klang von Bonndorf herüber ein Zehnuhrglöcklein und sie wußte wo aus und wo ein. Sie langte glücklich in Bonndorf an, hielt ihr Gelübde und stiftete ein silbernes Glöcklein, das um 10 Uhr geläutet werden mußte und schon manchem Verirrten den Weg zeigte.“
Birlinger gab an, die Sage aus mündlicher Quelle erhalten zu haben. Im Gegensatz zu Lynkers Version ist hier die Burg nicht beim Namen genannt. Statt der Gräfin ist es ein Fräulein, das sich im Wald verirrt, von einer Jagd ist ebenfalls keine Rede. Die späteren Versionen, etwa bei Hanns Bächtold-Stäubli 1918 oder Johannes Künzig 1930, gehen auf diese deutlich volkstümlicher anmutende Variante Birlingers zurück.
Dennoch kommt Lynker der Verdienst zu, die Sage erstmals einem größeren Publikum bekannt gemacht zu haben. Als Beamter in Bonndorf hat er sie sicher vor Ort aus mündlicher Quelle erfahren. Unklar bleibt dabei freilich, welche Details er bei der dichterischen Bearbeitung selbst hinzuerfunden hat.
Das besagte Silberglöcklein soll bereits vor Lynkers Zeiten nicht mehr existiert haben. Birlinger gab an, man habe es gemäß der Stiftung „vor ungefähr 40 Jahren“ noch geläutet. Es sei bei dem Großbrand am 21. Dezember 1827, der tatsächlich das Bonndorfer Rathaus zerstörte, geschmolzen. Interessanterweise heißt es bei Künzig 1930, dass der Brauch des abendlichen Läutens noch bis in die Achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts aufrechterhalten worden sei.
Zum Autor
Jiří Hönes – Vom Hunsrück nach Südbaden – der Dichter Eduard Lynker (2017)
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Das Bonndorfer Glöckchen (Badisches Sagen-Buch)
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Anton Birlinger: Das Zehnuhrglöcklein in Bonndorf
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Links
Wikisource: Eduard Lynker, Quellen und Volltexte
Quelle
August Schnezler: Badisches Sagen-Buch. Erste Abtheilung: Vom Bodensee bis zur Ortenau.
Druck und Verlag von Creuzbauer und Kasper.
Karlsruhe 1846.
S. 122–124.
[Wikisource]
Rudolf Magenaus Ballade von den hundert Kindern auf Schloss Hohenentringen erschien erstmals im „Taschenbuch von der Donau auf das Jahr 1825“, das von seinem Freund Ludwig Neuffer in Ulm herausgegeben wurde. Im selben Jahr fand sie zudem Eingang in Magenaus lyrische Sagensammlung „Poetische Volks’-Sagen und Legenden größtentheils aus Schwaben“. Laut den „Tübinger Blättern“ 1908/09 wurde sie am 3. Dezember 1825 auch im „Allgemeinen Intelligenz-Blatt für den Jaxt-Kreis“ abgedruckt.
In den „Poetischen Volks’-Sagen und Legenden“ hat Magenau in der ersten und letzten Strophe die „fünf Brüder“ durch „fünf Ritter“, die „wie Brüder“ wohnten, ersetzt. In den Anmerkungen gab er als Quelle für die Geschichte die 1733 gedruckte deutsche Ausgabe der „Schwäbischen Chronick“ von Martin Crusius an. Dort finden sich alle fünf Burgherren mit Namen und Anzahl ihrer Kinder, zum Teil sind auch die Namen der Ehefrauen genannt:
„Zu dieser Zeit [1417] haben 5. Edelleute mit ihren Gemahlinnen auf dem Schloß Entringen in Liebe und Eintracht beyeinander gewohnt, und zusammen 100. Kinder gezeugt; Dann Johannes von Halfingen, Ritter, zeugte mit seiner Gemahlin von Nippenburg 20. Kinder: Rudolph von Ehingen mit Agnes Truchseßin 19: Merck, (Marquard) von Halfingen mit Ursula Bubenhofin ebenfalls 19: Georgius von Halfingen mit einer Käbin 21. und Hugo von Gyltingen mit seiner Gemahlin ebenfalls 21. Kinder.“
Die Angaben stammen ursprünglich aus der Vorrede zur handschriftlichen Autobiografie des Ritters Georg von Ehingen (1428–1508), der als Sohn des Rudolph von Ehingen eines dieser 100 Kinder auf Schloss Hohenentringen war. Die Handschrift befindet sich in der Württembergischen Landesbibliothek und wurde 1600 in Augsburg und 1842 als „Des Schwäbischen Ritters Georg von Ehingen Reisen nach der Ritterschaft“ in Stuttgart gedruckt. Magenau, eher Dichter als Historiker, kannte wohl weder die Handschrift noch den alten Druck. Mehr als die schlichte Aufzählung der Ritter und ihrer Familien findet sich in der Schrift aber ohnehin nicht.
Das eigentliche Motiv der Sage, wie sie später unter anderem in der Herrenberger Oberamtsbeschreibung wiedergegeben wurde, der Tross der hundert Kinder vom Schloss bis zur Kirche, stammt aus Christian Fridrich Sattlers „Topographischer Geschichte des Herzogthums Würtemberg“ von 1784. Dort ist die Begebenheit um 25 Jahre früher angesetzt:
„nachher hatten ums Jahr 1392 zehen Edelleute an der Burg Entringen ihren Antheil, nemlich: Konrad von Hailfingen, Hanns von Gültlingen, Heinz von Hailfingen, Burkard von Ehingen, Hug von Ehingen, Aberlin und Georg von Hailfingen, Märklins von Hailfingen Kinder, Hanns Herter und Konrad Anshelms von Hailfingen Sohn, von welchen man erzehlet, daß sie damals in größter Einigkeit beisammen gewohnet und bei 100 Kinder und Kinds-Kinder bei sich gehabt hätten, mit denen sie in einer Prozession paar und paar weise in die Kirche gegangen, und diser Zug habe sich so weit erstreckt, daß wann die ersteren zur Kirche eingegangen, die letzteren noch bei der Burg gewesen seyen.“
Vermutlich hat Magenau das Motiv zumindest indirekt aus dieser Schrift übernommen. Zudem erscheint es denkbar, dass er Hohenentringen aus seiner Tübinger Studentenzeit selbst gekannt hat.
Das heutige Schloss wurde um 1720 erbaut und beherbergt ein beliebtes Ausflugslokal. In der Gaststube befindet sich ein 1913 entstandenes Gemälde von Gunhild von Ow, das die Prozession der 100 Kinder vom Schloss zur Kirche zeigt. Ein Abbildung davon ist auf den Seiten der Gemeinde Ammerbuch zu sehen.
Zum Autor
Jiří Hönes – Rudolf Magenau – Autor des ersten württembergischen Sagenbuchs (2012, überarbeitete Fassung 2017)
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Das Schlößlein zu hohen Entringen (Taschenbuch von der Donau auf das Jahr 1825)
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Das Schlößlein zu Hohen Entringen (Poetische Volks’-Sagen und Legenden größtentheils aus Schwaben)
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Links
Wikipedia: Rudolf Magenau
Wikisource: Rudolf Magenau, Quellen und Volltexte
Quelle
Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau auf das Jahr 1825.
Stettinsche Buchhandlung.
Ulm.
S. 233–234.
[Google Books]
„Laßt, Männchen, so bat sie, noch e i n m a l mich schau’n
Den blauen Himmel, die frischen Au’n!
„Laßt e i n m a l mich prüfen in lichten Höh’n,
Ob noch die Geister mein Wörtlein versteh’n!
„Es brennet die Sonne, so sengend, so heiß,
Laßt rufen mich kühlend ein L ü f t c h e n leis!“
Herr P e t e r : „„So sei’s noch, zu meiner Qual!
Doch, ritterlich schwör’ ich’s, zum letztenmal!““
Es öffnet sich knarrend das steinerne Thor,
Frau Itta die Hexe tritt bleich hervor.
Sie steht auf den Zinnen, es flattert ihr Kleid,
Als wären es Schwingen, zum Fliegen bereit.
Sie summet ein Liedlein, sie brummet ein Wort,
Die Geister, sie hören’s und tragen es fort.
Und bald aus den Tiefen, und bald als den Höh’n.
Es stürmet und sauset in grausigem Weh’n.
Es bersten die Felsen, es splittert die Ficht’,
Aus den Wolken ein höllisches Leuchten bricht.
Frau Itta breitet den Mantel aus:
„Lieb’ Männchen, haltet nun selber Haus!
„Das Lüft’chen, es kühl’ euch das heiße Blut,
Doch habt euer festes Schlößlein in Hut!“
Das dröhnt und bebet im Blitzesstrahl,
Und liegt zerschmettert im tiefen Thal.
Die Ballade „Frau Itta von Lützelburg“ erschien 1836 in der lyrischen Sagensammlung „Alsa-Bilder“ der Brüder August und Adolf Stöber. Die beiden Elsässer hatten ihre Sammlung unter anderem Gustav Schwab gewidmet, von dem sie maßgeblich beeinflusst waren. August Stöber (1808–1884) arbeitete seinerzeit als Hauslehrer in Oberbronn in der Nähe von Haguenau. Die Ballade nahm er später zudem in sein „Elsässisches Sagenbuch“ von 1842 auf, das auch Werke zahlreicher anderer Dichter enthielt. In Prosa veröffentlichte er die Sage 1851 in den „Sagen des Elsasses“ unter dem Titel „Die Gräfin von Lützelburg“.
Schauplatz ist die Burg Lützelburg oberhalb des gleichnamigen Orts (heute Lutzelbourg) am Flüsschen Zorn nahe der elsässischen Stadt Saverne, jedoch schon zum Dépatement Moselle in Lothringen gehörig. In den Anmerkungen zu den „Alsa-Bildern“ hat er die Sage ausführlicher wiedergegeben:
„ I t t a , die Gemahlin des Ritters P e t e r v o n L ü t z e l b u r g , soll sich den Hexenkünsten ergeben haben und dadurch ihrem Manne manche böse Stunde gemacht, so daß er sie zuletzt in einen finstern Thurm einsperren mußte; sie entkam aber aus demselben durch List. Sie bat ihn nemlich um die Erlaubniß, kraft ihrer Kunst, ein sanftes L ü f t c h e n wegen zu lassen, ließ aber, statt dieses, einen gewaltigen Sturmwind blasen, welcher sein Schloß und die Felder der umliegenden Ortschaften verheerte. Den letztern mußte Peter, als Schadenersatz, ein gewisses Recht in seinen Waldungen einräumen; für Itta’s Seelenheil ließ er im Jahr 1126 die Abtei S t . J o h a n n (St. Jean des choux), bei Zabern erbauen. In der Stiftungsurkunde hat jedoch Frau Itta mit unterschrieben.“
Das Nonnenkloster, heute Saint-Jean-Saverne genannt, war ein Priorat des Benediktinerklosters St. Georgen im Schwarzwald. Die Stiftung im Jahr 1126 durch Peter von Lützelburg ist historische Tatsache. Sie erfolgte jedoch ausdrücklich sowohl für sein eigenes als auch für das Seelenheil seiner Gemahlin Itta (Itha), seines Sohnes und seiner Vorfahren. Karl Stenzel hat den in mehreren Abschriften erhaltenen Gründungsbericht des Klosters 1922/23 in der „Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins“ untersucht und editiert. Über Itta (Itha) schrieb er: „Unter seltsamer Verkehrung des geschichtlichen Tatbestandes hat […] die Volkssage sich ihrer Person bemächtigt, um sich auf ihre Weise das Zustandekommen der St. Johanner Schenkung zu erklären.“ Der Sachverhalt liege in Wirklichkeit gerade entgegengesetzt, Gräfin Itha habe ihren Mann lange überlebt und sei gemeinsam mit ihrem Sohn Reginald „bemüht gewesen, alle von ihrem Gatten gegen Klöster und Klerus begangenen Gewalttaten wieder gut zu machen.“ Die Verquickung der historischen Person Itha von Lützelburg mit der Sage hielt er für „recht jungen Datums“. Abschriften des Gründungsberichts, der zahlreiche Grenzbeschreibungen der zur Schenkung gehörigen Güter enthielt, wurden Stenzel zufolge bis ins 18. Jahrhundert hinein immer wieder bei Verhandlungen über Grenzstreitigkeiten als Beweismittel herangezogen. Möglicherweise fand die Gräfin aus dem 12. Jahrhundert von dort ihren Weg in die örtliche Sagenüberlieferung.
Im „Elsässischen Sagenbuch“ ließ August Stöber die Ballade leicht verändert abdrucken, die Anmerkungen blieben weitgehend identisch. Im Gegensatz zu seinen beiden lyrischen Sagensammlungen sollten die 1851 erschienenen „Sagen des Elsasses“ – unter dem Einfluss von Jacob Grimm – wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Dort hat er die Sage ausschließlich in Prosa wiedergegeben und die Anmerkungen deutlich erweitert. Viel näher an der im Vorwort beschworenen „einfache[n], meistens an sich schon so tiefpoetische[n] Erzählungsweise des Volkes“ war allerdings wohl auch diese Variante nicht:
„Frau Itta, die Gattin des Grafen Peter von Lützelburg, war eine böse Hexe, die ihrem Manne das Leben sauer machte. Des vielen Uebels müde, das sie ihm schon angethan hatte, ließ sie Peter endlich in das tiefe, finstere Burggefängniß sperren. Allein es gelang ihr bald, sich aus demselben zu befreien. An einem Sommertage war plötzlich eine solche schwüle, drückende Hitze ausgebrochen, daß Menschen und Thiere lechzten, die Blätter an den Bäumen und Blumen verdorrten. Herr Peter wollte verschmachten. Da ließ ihm Frau Itta sagen, sie wolle ihm Kühlung verschaffen und einen frischen Luftzug herbeizaubern, wenn er sie einige Augenblicke aus ihrem Verließ in’s Freie treten lassen wollte.
Der Graf war es zufrieden und gestattete ihr, sich auf den Schloßsöller zu begeben. Kaum war sie aber daselbst angekommen, so ließ sie einen so gewaltigen Sturm und furchtbares Hagelwetter entstehen, daß die ganze Umgegend davon verheert wurde.
Auf die Klage der benachbarten Ortschaften, deren Felder dabei gelitten hatten, mußte ihnen der Graf bedeutende Rechte in seinen Waldungen einräumen.
Für das Seelenheil seiner Gattin stiftete er später, im Jahr 1126, die Abtei St. Johann.
Wir haben hier wieder eine jener Erklärungs-Sagen, welche das Volk so gerne gibt, wenn es die Entstehung eines Gebäudes, eines Ortes, eines Gebrauchs, eines Rechts nicht kennt und darüber kein Dokument vorhanden ist. Letzteres ist (wahrscheinlich) der Fall hinsichtlich der W a l d r e c h t e , welche einige Ortschaften in den ehemaligen Besitzungen der G r a f e n v o n L ü t z e l b u r g genossen. Die Geschichte gibt keine andere Veranlassung zu der Sage. Die Stiftungs-Urkunde der Abtei S t . J o h a n n hat Frau I t t a mitunterschrieben. Allein im Volksglauben gilt sie noch immer als Hexe und sogar als Meisterin derjenigen Hexen, welche sich bald in einer Felsvertiefung unweit der St. Michaels-Kapelle, bald auf dem Gipfel des Bastberges bei Buchsweiler versammeln.“
Als Quellen hat er hier neben mündlicher Überlieferung die „Antiquités d’Alsace“ von Jean Geoffroy Schweighaeuser angegeben. In diesem 1828 herausgegebenen Altertumsführer ist die Sage etwas anders dargestellt: Itta führt dort den verheerenden Sturm erst aus Ärger über die Gründung der Abtei durch ihren Gatten herbei. Ursache und Wirkung sind also in den beiden Versionen vertauscht. Der Hinweis auf die als Schadensersatz gewährten Waldrechte findet sich auch bei Schweighaeuser, ebenso wie die Anmerkung, Itta habe die Gründungsurkunde des Klosters selbst mitunterzeichnet.
Das Beispiel zeigt anschaulich, wie sich der Umgang mit Sagen um die Mitte des 19. Jahrhunderts änderte: Während Stöber 1836 noch in der Tradition Gustav Schwabs Sagenballaden dichtete, wandte er sich unter dem Einfluss von Jacob Grimms „Deutscher Mythologie“ schon bald der Prosasage mit Erläuterungen zu.
Downloads
Frau Itta von Lützelburg (Alsa-Bilder)
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Frau Itta von Lützelburg (Elsässisches Sagen-Buch)
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Jean Geoffroy Schweighaeuser: Antiquités d’Alsace (Auszug)
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Die Gräfin von Lützelburg (Sagen des Elsasses)
[PDF]
Links
Wikipedia: August Stöber
Wikisource: August Stöber, Quellen und Volltexte
Quelle
August und Adolph Stöber. Alsa-Bilder. Vaterländische Sagen und Geschichten, mit Anmerkungen.
Gedruckt bei Ph. H. Dannbach.
Straßburg 1836.
S. 44–45.
[Bibliothèque nationale de France]
Der Förster sprach es oft genug,
Er sprach, und mit bedächtgem Munde:
Ja hättet von eurem Recht ihr Kunde,
Ihr führet zu der Herrschaft Qual
Mit silbernen Pflügen allzumal!
Nun schnaubet ihr uns und flucht uns an
Was haben wir euch zu leid gethan?
Die eigenartige Sagenballade „Waldmythe“ erschien 1883 in Karl Dolls „Schwäbischen Balladen“. Entstanden ist sie wohl bereits einige Jahre zuvor, als der Autor als Oberamtmann in Calw lebte. Die zugrundeliegende Sage hat er selbst aufgezeichnet und in verschiedenen Varianten ab 1878 im sechsten, siebten und achten Band von Anton Birlingers Zeitschrift „Alemannia“ veröffentlicht.
Demnach glaubten die Einwohner zahlreicher Orte im damaligen Oberamt Calw, dass verschiedene Staatswaldungen auf ihren Gemarkungen früher Gemeindebesitz gewesen seien, den der Staat widerrechtlich an sich gebracht habe, so in Unterhaugstett, Monakam und Kentheim. In den ehemals zum Kloster Hirsau gehörigen Orten Agenbach, Ottenbronn, Oberkollbach und Oberreichenbach hieß es, die Vorfahren der Einwohner hätten einst bedeutende Nutzungsrechte an den jetzigen Staatswäldern gehabt, die ihnen der Staat als Rechtsnachfolger des Klosters nun vorenthalte. In Ottenbronn soll ein Förster gesagt haben, wenn die Leute wüssten, wie reich sie wären, dann könnten sie alle mit silbernen Pflügen fahren.
Der Autor schrieb selbst in den Anmerkungen:
„In der Ballade soll einfach der Kontrast zwischen der ursprünglichen Freiheit des Waldes, der als Allmand allen Markgenossen zur Benützung offen stand und den Beschränkungen durch die heutigen Forstgesetze geschildert werden. Der Glaube, daß gewisse, in der Hand des Staats oder eines anderen Großbesitzers befindliche Walddistrikte ursprünglich Gemeindeeigenthum waren, ist in manchen Orten, namentlich auf dem Schwarzwald, verbreitet, so in Ottenbronn, Monakam, Unterhaugstett und im uralten Kentheim, bei deren Einwohnern die Tradition sich erhalten hält: wenn sie wüßten, welche forstlichen Rechte sie hätten, so könnten sie alle mit silbernen oder (in Kentheim) gar mit goldenen Pflügen fahren.“
Zum Autor
Jiří Hönes – „Ein Sänger des Schwabenlandes“ – der Dichter und Sagensammler Karl Doll (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Downloads
Karl Doll: Waldmythe
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Karl Doll: Glauben an alte Rechte (Alemannia VI)
[PDF]
Karl Doll: Glaube an alte Rechte (Alemannia VII)
[PDF]
Karl Doll: Rechte zu Kentheim (Alemannia VIII)
[PDF]
Links
Karl Doll: Online-Werkausgabe
Wikipedia: Karl Doll
Quelle
Karl Doll: Schwäbische Balladen.
Druck und Verlag von W. Kohlhammer.
Stuttgart 1883.
S. 190–192.
[Internet Archive]
Über Karl Doll ist im Juni 2014 beim Kreisarchiv Calw mein Buch „‚Tief unten zieht die grüne Nagoldwelle…“ – Karl Doll. Leben und Werk, Sagen und Sonette“ erschienen. Neben einem ausführlichen biografischen Abriss und der Würdigung seines dichterischen und volkskundlichen Werks enthält es die kompletten „Sonette aus Calw“ und „Sonette vom Schwarzwald“ sowie die Sagensammlung aus der „Alemannia“.
Das Buch ist erhältlich beim Kreisarchiv Calw oder im Buchhandel.
Der biografische Teil dieses Beitrags ist auch auf den gesonderten Seiten über Karl Doll erschienen. Dort finden sich zudem alle seine bislang bekannten lyrischen und volkskundlichen Veröffentlichungen in Form von Transkriptionen und/oder Faksimiles.
Dem Herrscherstab, dem Fürstenhut
Entsagt der Fürst mit starkem Muth,
Und spricht zu seinem Sohne:
„Sitz Du auf meinem Throne!“
„Mich ruft zum Kampf die höh’re Pflicht,
Die Noth ist groß! hilft Gott uns nicht,
Wird uns das Schwert bekehren
Von Luthers reinen Lehren.“
„Doch ferne sei mir’s, Mord und Brand
Zu locken in mein friedlich Land;
Ich will das Schwert erfassen,
Und dir das Scepter lassen.“
„Nimm’s hin! mein Sohn, und trag’ es weis
Zu deines Volks und Gottes Preis
Des heil’gen Rechts Beschützer
Der Schwachheit Unterstützer.“
Er sprach’s, und schwang sich auf sein Roß.
„Leb’ wohl! du meiner Ahnen Schloß.“
Viel heiße Thränen rannen,
Doch rastlos gieng’s von dannen.
Da half kein Rath, kein warnend Wort,
Ein blind Verlangen trieb ihn fort,
Wie einst in bessern Zeiten
In off’ner Schlacht zu streiten.
„Der Feigling sucht den Hinterhalt,
Ich trau auf meines Arms Gewalt –
So rief er – kühn Beginnen
Muß uns den Sieg gewinnen.“
Und unaufhaltsam rückt er vor,
Und triff den Feind vor Wimpfens Thor,
Viel Tausend wohlgerüstet,
Die all des Kampfs gelüstet.
Die Trommel ruft, das Schwert wird blos,
Wie Blitze folgen Hieb und Stoß,
Es donnern die Kanonen,
Die Freund und Feind nicht schonen.
Und Mancher stürzt’, und Mancher sank,
Und mancher Kämpe sterbenskrank
Hat schweren Tod gelitten,
Denn blutig ward gestritten.
Es stach der Sonne heißer Brand
Den Fürsten, der im Freien stand,
Doch kühles Obdach hatten
Die Feind’ in Waldes Schatten.
Da hat gar mancher Held geklagt,
Der Markgraf streitet unverzagt;
Und Mancher muß erbleichen
Vor seines Armes Streichen.
Doch sieh! welch schwarzer Höllendampf
Steigt dort empor und stört den Kampf?
Horch, wie es kracht und wettert,
Und Alles rings zerschmettert.
Des Fürsten Heer wird schnell zersprengt,
Und Herrn und Knechte flieh’n vermengt;
Ein Schreckensruf verkündet:
Das Pulver ist entzündet.
Umsonst war Bitten, Mahnen, Droh’n,
So Muth als Ordnung war entfloh’n.
Bald focht, vom Feind umgeben,
Der Markgraf um sein Leben.
Nun spitzt das Ohr, und hört die That,
Die nirgend ihres gleichen hat,
Vernehmt sie, und bewundert
Von Pforzheim die Vierhundert.
Ein Häuflein klein, doch edler Art
Hat um den Fürsten sich geschaart,
Aus jener Stadt gebürtig,
Des Schwabenlandes würdig.
Sie standen vor den Fürsten dicht,
Wie Säulen fest, und wankten nicht,
Sein theures Haupt zu retten
Von ew’ger Knechtschaft Ketten.
Und Mancher stürzt’, und Mancher sank,
Das Blut der treu’sten Herzen trank
Der nimmersatte Boden,
Ein weites Feld von Todten.
Sie kämpfen, bis der Letzte blieb.
„O weinet nicht, ihr Mütter lieb!
Der Ruhm von euern Söhnen
Wird alles Land durchtönen!“
So ward der edle Fürst befreit
Durch seiner Bürger Tapferkeit,
Denn Lieb’ ist bess’re Wehre,
Als Furcht und mächt’ge Heere.
Und ihr, ihr Herren edel’n Bluts
Begebt euch eures stolzen Muths,
Und ehret und bewundert
Von Pforzheim die Vierhundert.
Die kriegsverherrlichende Ballade von den „400 Pforzheimern“ erschien 1835 im ersten Gedichtband des damals 23-jährigen Eduard Brauer (1811–1871). Es handelt sich um eine von zahlreichen literarischen Bearbeitungen einer Sage, die von der Rettung des Markgrafen Georg Friedrich von Baden-Durlach in der Schlacht bei Wimpfen im Jahr 1622 berichtet.
Bei dieser Schlacht in der Frühphase des Dreißigjährigen Kriegs stand das Heer des Markgrafen den bayerischen und spanischen Truppen der katholischen Liga unter den Feldherren Tilly und Córdoba gegenüber. Die von Brauer geschilderte Explosion der markgräflichen Pulverwagen hat tatsächlich dazu geführt, dass dessen Truppen in Panik gerieten und die Flucht ergriffen. Der Markgraf selbst konnte sich verletzt in Sicherheit bringen.
Dass diese Flucht nur durch das aufopferungsvolle Eingreifen der 400 Pforzheimer gelang, und diese dabei allesamt den Tod fanden, wurde noch zu Brauers Zeiten häufig ebenfalls für eine historische Tatsache gehalten. Brauer selbst schrieb 1845 in den „Sagen und Geschichten der Stadt Baden im Großherzogthum und ihrer näheren und entfernteren Umgebungen in poetischem Gewande“, die Geschichte der 400 Pforzheimer werde zwar neuerdings angezweifelt, doch der „Kern der Sage“ werde dennoch „als eine wahre Begebenheit zu betrachten sein.“
David Coste zeigte 1874 in einem Beitrag für Heinrich von Sybels Historische Zeitschrift, dass sämtliche literarische Bearbeitungen der Sage auf das 1788 erschienene Trauerspiel „Die vierhundert Pforzheimer Bürger oder die Schlacht bey Wimpfen“ des Pforzheimer Schriftstellers Ernst Ludwig Deimling zurückzuführen sind. Den frühesten bekannten Hinweis auf die angebliche Heldentat gab bereits 1770 Johann Christian Sachs in einer Fußnote zu seinem Auszug aus der Geschichte der Marggravschaft und des Marggrävlichen altfürstlichen Hauses Baden: „Man meldet, daß bei 400. Mann von der Burgerschaft zu Pforzheim, welche dem Marggraven zu einer Leibgarde gedient hätten, fast bis auf einen Mann sich haben niederhauen lassen.“ In zeitgenössischen Quellen, von denen Coste einige zitierte, ist von den 400 Pforzheimern dagegen keinem Wort zu finden.
Brauers gleichermaßen Heldentum und Herrschertreue verherrlichende Ballade fand bald Eingang in zahlreiche Anthologien, etwa 1837 in Karl Simrocks „Rheinsagen“, 1839 in August Nodnagels „Sieben Bücher deutscher Sagen und Legenden in alten und neuen Dichtungen“ oder 1846 in August Schnezlers „Badisches Sagen-Buch“, um nur einige zu nennen. Brauer selbst zählte 1848 bereits zwölf Sammlungen, in die die Ballade aufgenommen worden war.
Eine Liste literarischer Bearbeitungen der Sage lieferte 1880 der Historiker Moritz Gmelin in seinen Beiträgen zur Geschichte der Schlacht bei Wimpfen.
Zum Autor
Jiří Hönes – Sagenbilder in Lied und Reim – der badische Dichter Eduard Brauer (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Die 400 Pforzheimer (Gedichte)
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Links
Wikipedia: Eduard Brauer
Wikisource: Eduard Brauer, Quellen und Volltexte
Quelle
Eduard Brauer: Gedichte.
Chr. Fr. Müller’sche Hofbuchhandlung.
Karlsruhe 1835.
S. 30–33.
[Wikimedia Commons]