Die Ballade vom „Bonndorfer Glöckchen“ von Eduard Lynker (1806–1863) erschien 1845 im ersten Band von August Schnezlers „Badischem Sagen-Buch“. Der Autor war damals Amtsrevisor in Bonndorf im Schwarzwald und war mit Schnezler befreundet. Es handelt sich wohl um die erste schriftliche Version dieser Stiftungssage, die später noch mehrmals in Prosa veröffentlicht wurde. Auch eine frühere Veröffentlichung der Ballade, etwa in lokalen Zeitungen, konnte bislang nicht nachgewiesen werden.
Mit „Schloß Tannegg an der Wuthach“ dürfte Lynker die Ruine Neu-Tannegg gemeint haben, welche östlich des Bonndorfer Stadtteils Boll hoch über der Wutachschlucht liegt. Sie wurde im 12. Jahrhundert erbaut und ist seit dem späten 15. Jahrhundert verlassen. Godefroy Engelmann fertigte 1829 eine Lithografie der Ruine an, welche den damaligen Zustand zeigt. Die benachbarte Burg Tannegg oder Alt-Tanegg dürfte dagegen schon damals weitgehend abgegangen gewesen sein. Von ihr ist nichts erhalten.
Die älteste bekannte Prosavariante der Sage veröffentlichte der schwäbische Volkskundler Anton Birlinger 1874 in seiner Sammlung „Aus Schwaben“:
„Ein Fräulein aus der benachbarten Burg hatte sich einst im Walde verirrt. Die Nacht brach schon herein und sie hatte den Heimweg noch nicht gefunden. Voll Angst eilte sie durch den Wald und verirrte immer mehr. 3 Stunden lang ging sie; aber dann fiel sie ermattet unter einer Tanne nieder, betete inbrünstig zu Gott und gelobte ein silbernes Glöcklein stiften zu wollen, alle Nacht den Verirrten den rechten Weg zu weisen. Sieh da klang von Bonndorf herüber ein Zehnuhrglöcklein und sie wußte wo aus und wo ein. Sie langte glücklich in Bonndorf an, hielt ihr Gelübde und stiftete ein silbernes Glöcklein, das um 10 Uhr geläutet werden mußte und schon manchem Verirrten den Weg zeigte.“
Birlinger gab an, die Sage aus mündlicher Quelle erhalten zu haben. Im Gegensatz zu Lynkers Version ist hier die Burg nicht beim Namen genannt. Statt der Gräfin ist es ein Fräulein, das sich im Wald verirrt, von einer Jagd ist ebenfalls keine Rede. Die späteren Versionen, etwa bei Hanns Bächtold-Stäubli 1918 oder Johannes Künzig 1930, gehen auf diese deutlich volkstümlicher anmutende Variante Birlingers zurück.
Dennoch kommt Lynker der Verdienst zu, die Sage erstmals einem größeren Publikum bekannt gemacht zu haben. Als Beamter in Bonndorf hat er sie sicher vor Ort aus mündlicher Quelle erfahren. Unklar bleibt dabei freilich, welche Details er bei der dichterischen Bearbeitung selbst hinzuerfunden hat.
Das besagte Silberglöcklein soll bereits vor Lynkers Zeiten nicht mehr existiert haben. Birlinger gab an, man habe es gemäß der Stiftung „vor ungefähr 40 Jahren“ noch geläutet. Es sei bei dem Großbrand am 21. Dezember 1827, der tatsächlich das Bonndorfer Rathaus zerstörte, geschmolzen. Interessanterweise heißt es bei Künzig 1930, dass der Brauch des abendlichen Läutens noch bis in die Achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts aufrechterhalten worden sei.
Zum Autor
Jiří Hönes – Vom Hunsrück nach Südbaden – der Dichter Eduard Lynker (2017)
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Downloads
Das Bonndorfer Glöckchen (Badisches Sagen-Buch)
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Anton Birlinger: Das Zehnuhrglöcklein in Bonndorf
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Links
Wikisource: Eduard Lynker, Quellen und Volltexte
Quelle
August Schnezler: Badisches Sagen-Buch. Erste Abtheilung: Vom Bodensee bis zur Ortenau.
Druck und Verlag von Creuzbauer und Kasper.
Karlsruhe 1846.
S. 122–124.
[Wikisource]
Der Förster sprach es oft genug,
Er sprach, und mit bedächtgem Munde:
Ja hättet von eurem Recht ihr Kunde,
Ihr führet zu der Herrschaft Qual
Mit silbernen Pflügen allzumal!
Nun schnaubet ihr uns und flucht uns an
Was haben wir euch zu leid gethan?
Die eigenartige Sagenballade „Waldmythe“ erschien 1883 in Karl Dolls „Schwäbischen Balladen“. Entstanden ist sie wohl bereits einige Jahre zuvor, als der Autor als Oberamtmann in Calw lebte. Die zugrundeliegende Sage hat er selbst aufgezeichnet und in verschiedenen Varianten ab 1878 im sechsten, siebten und achten Band von Anton Birlingers Zeitschrift „Alemannia“ veröffentlicht.
Demnach glaubten die Einwohner zahlreicher Orte im damaligen Oberamt Calw, dass verschiedene Staatswaldungen auf ihren Gemarkungen früher Gemeindebesitz gewesen seien, den der Staat widerrechtlich an sich gebracht habe, so in Unterhaugstett, Monakam und Kentheim. In den ehemals zum Kloster Hirsau gehörigen Orten Agenbach, Ottenbronn, Oberkollbach und Oberreichenbach hieß es, die Vorfahren der Einwohner hätten einst bedeutende Nutzungsrechte an den jetzigen Staatswäldern gehabt, die ihnen der Staat als Rechtsnachfolger des Klosters nun vorenthalte. In Ottenbronn soll ein Förster gesagt haben, wenn die Leute wüssten, wie reich sie wären, dann könnten sie alle mit silbernen Pflügen fahren.
Der Autor schrieb selbst in den Anmerkungen:
„In der Ballade soll einfach der Kontrast zwischen der ursprünglichen Freiheit des Waldes, der als Allmand allen Markgenossen zur Benützung offen stand und den Beschränkungen durch die heutigen Forstgesetze geschildert werden. Der Glaube, daß gewisse, in der Hand des Staats oder eines anderen Großbesitzers befindliche Walddistrikte ursprünglich Gemeindeeigenthum waren, ist in manchen Orten, namentlich auf dem Schwarzwald, verbreitet, so in Ottenbronn, Monakam, Unterhaugstett und im uralten Kentheim, bei deren Einwohnern die Tradition sich erhalten hält: wenn sie wüßten, welche forstlichen Rechte sie hätten, so könnten sie alle mit silbernen oder (in Kentheim) gar mit goldenen Pflügen fahren.“
Zum Autor
Jiří Hönes – „Ein Sänger des Schwabenlandes“ – der Dichter und Sagensammler Karl Doll (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Downloads
Karl Doll: Waldmythe
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Karl Doll: Glauben an alte Rechte (Alemannia VI)
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Karl Doll: Glaube an alte Rechte (Alemannia VII)
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Karl Doll: Rechte zu Kentheim (Alemannia VIII)
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Links
Karl Doll: Online-Werkausgabe
Wikipedia: Karl Doll
Quelle
Karl Doll: Schwäbische Balladen.
Druck und Verlag von W. Kohlhammer.
Stuttgart 1883.
S. 190–192.
[Internet Archive]
Über Karl Doll ist im Juni 2014 beim Kreisarchiv Calw mein Buch „‚Tief unten zieht die grüne Nagoldwelle…“ – Karl Doll. Leben und Werk, Sagen und Sonette“ erschienen. Neben einem ausführlichen biografischen Abriss und der Würdigung seines dichterischen und volkskundlichen Werks enthält es die kompletten „Sonette aus Calw“ und „Sonette vom Schwarzwald“ sowie die Sagensammlung aus der „Alemannia“.
Das Buch ist erhältlich beim Kreisarchiv Calw oder im Buchhandel.
Der biografische Teil dieses Beitrags ist auch auf den gesonderten Seiten über Karl Doll erschienen. Dort finden sich zudem alle seine bislang bekannten lyrischen und volkskundlichen Veröffentlichungen in Form von Transkriptionen und/oder Faksimiles.
Das Mädchen und das Bübchen
Im traulich warmen Stübchen
Sind seelig eingenickt.
Großmutter sitzt im Stuhle,
Sie sitzt und dreht die Spule
So fleißig und geschickt.
Eduard Brauers lyrische Version der Gaggenauer Ortsnamensage erschien 1845 in seiner Sammlung „Sagen und Geschichten der Stadt Baden im Großherzogthum und ihrer näheren und entfernteren Umgebungen in poetischem Gewande.“ Als Quelle gab er die 1834 bei Johann Velter in Karlsruhe anonym herausgegebenen „Sagen aus Baden und der Umgegend“ an. Dort war die „eben nicht sehr sinnreiche Sage“ in schlichter Prosa abgedruckt.
In Anlehnung an die einleitenden Worte aus seiner Quelle schrieb Brauer in den Anmerkungen zu seiner Ballade, es handle sich um eine „freilich weder sinnreiche noch poetische Sage“ Zur dichterischen Ausgestaltung derselben bemerkte er: „Sie ist im Gewand eines Kindermährchens, das sich wohl allein für sie schickt, etwas ausgeschmückt hier wiedergegeben.“ Brauers Ausschmückung bestand vor allem in der Begegnung mit dem „bucklig Männchen, / Nicht höher als drei Spännchen“, welches in der Prosasage nicht vorkommt.
Die Ballade wurde später in zahlreichen weiteren Sagenbüchern abgedruckt. Der Dichter Augst Schnezler nahm sie 1856 in sein „Badisches Sagen-Buch“ sowie 1847 in seine Sammlung „Aurelia’s Zauber-Kreis. Die schönsten Geschichten, Sagen und Legenden der Stadt Baden und ihrer nachbarlichen Thäler und Bergschlösser nebst einem Märchen-Cyclus vom Mummelsee“. In Brauers eigener Balladensammlung „Badische Sagenbilder in Lied und Reim“ von 1858 durfte sie natürlich auch nicht fehlen.
Eine weitere Prosaversion der Sage erschien 1851 in Bernhard Baaders „Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden“ unter dem Titel „Gaggenaus Name“.
Ausführliche Erläuterungen
Jiří Hönes – Eduard Brauer: Gaggenau (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Zum Autor
Jiří Hönes – Sagenbilder in Lied und Reim – der badische Dichter Eduard Brauer (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Gaggenau (Sagen und Geschichten der Stadt Baden im Großherzogthum und ihrer näheren und entfernteren Umgebungen in poetischem Gewande)
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Gaggenau (Badisches Sagen-Buch)
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Anonymus: Gaggenau (Sagen aus Baden und der Umgegend)
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Bernhard Baader: Gaggenaus Name
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Links
Wikipedia: Eduard Brauer
Wikisource: Eduard Brauer, Quellen und Volltexte
Quelle
Eduard Brauer (Hrsg.): Sagen und Geschichten der Stadt Baden im Großherzogthum und ihrer näheren und entfernteren Umgebungen in poetischem Gewande.
G. Braun’sche Hofbuchhandlung.
Karlsruhe 1845.
S. 60–61.
[Google Books]
„Das Lichtlein vom St. Annaberge bei Altensteig“ erschien im Oktober 1898 in „Aus dem Schwarzwald“, der Mitgliederzeitschrift des Württembergischen Schwarzwaldvereins. Der Verfasser Julius Hetterich (1842–1914) war bis Anfang des Jahres 1898 evangelischer Stadtpfarrer in Altensteig gewesen und dann nach Sindelfingen gewechselt. Als langjähriges Vereinsmitglied und Gelegenheitsdichter steuerte er hin und wieder Verse und Artikel zu dem Blatt bei.
Die in der Ballade erwähnte St.-Anna-Kapelle ist historisch tatsächlich greifbar. Sie befand sich am Fuße des südlich der Stadt gelegenen Talhangs, der bis heute den Namen St.-Anna-Berg trägt. Die Sage vom „Lichtlein vom St. Annaberge“ ist dagegen mit ziemlicher Sicherheit Hetterichs dichterische Erfindung. Dafür spricht nicht zuletzt, dass er die Lage der einstigen Kapelle falsch angab, indem er schrieb: „Dort oben stand in alter Zeit / Ein Kirchlein an des Berges Halde“.
Da der Autor keinerlei Hinweis darauf gab, dass es sich hier nicht um eine volkstümliche Überlieferung handelte, gingen später andere offenbar hiervon aus. Die Sage findet sich nämlich in anderer Form im Jahr 1925 im „Nagolder Heimatbuch“ von Georg Wagner wieder. Der Studienrat Martin Goes steuerte zu diesem das Kapitel „Sagen und Geschichten aus alter Zeit“ bei, in welchem im Abschnitt „Altensteiger Sagen“ unter der Überschrift „Das Lichtlein auf dem St. Annaberg“ eine inhaltlich exakt identische Sage in Prosa zu lesen ist. Seine Quelle hat Goes allerdings nicht genannt.
Ausführliche Erläuterungen und Kurzbiografie des Autors
Jiří Hönes – Julius Hetterich: Das Lichtlein vom St. Annaberge bei Altensteig (2013)
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Das Lichtlein vom St. Annaberge bei Altensteig
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Martin Goes: Das Lichtlein auf dem St. Annaberg
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Quelle
Aus dem Schwarzwald 10/1898.
Blätter des Württembergischen Schwarzwaldvereins.
Stuttgart 1898.
[Internet Archive]
Mein herzlicher Dank gilt Herrn Stadtarchivar Fritz Kalmbach (†) für seine ausführlichen Mitteilungen zur St.-Anna-Kapelle und den Hinweis auf das Nagolder Heimatbuch.
Ausführliche Erläuterungen
Jiří Hönes – August Schnezler: Der Schlangenhof im Schappacher Thal (2013, überarbeitete Fassung 2017)
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Zum Autor
Jiří Hönes – August Schnezler – Postbeamter, Redakteur und Herausgeber des „Badischen Sagen-Buchs“ (2013, überarbeitete Fassung 2017)
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Der Schlangenhof im Schappacher Thal
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Bernhard Baader: Der Schlangenhof (Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit)
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Links
Wikipedia: August Schnezler
Wikisource: August Schnezler, Quellen und Volltexte
Quelle
August Schnezler: Badisches Sagen-Buch. Erste Abtheilung: Vom Bodensee bis zur Ortenau.
Druck und Verlag von Creuzbauer und Kasper.
Karlsruhe 1846.
Sp. 474–476.
[Wikisource]
Mein herzlicher Dank gilt Herrn Hubert Waidele, der mir zahlreiche Details aus der Geschichte des Schlangenhofs mitteilte und dessen einstigen Standort zeigte.