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Karl Doll: Waldmythe

Was wollt ihr von uns? was schnaubt ihr uns an?
Was haben wir euch zu leid gethan?
Man schreibt uns auf und will uns strafen,
Weil dürre Reiser im Wald wir trafen,
Weil wir sie von der Erde lasen,
Weil einen Halm wir gerauft vom Rasen!
Weß ist der Wald, weß war er dann,
Eh man die Schreiberlist ersann?
Glaubt ihr, er war der Herrschaft? Nein!
Uns hat er gehört, der ganzen Gemein!
Zum Bauen holten wir immerdar,
Zum Feuern Holz das ganze Jahr.
Uns lief im Walde spät und früh
Gehörnt und ungehörntes Vieh.
Da kamen die Herren mit süßen Mienen,
Als wollten sie demuthvoll uns dienen,
Hier wars ein Pfäfflein glatt und rund,
Dort wars ein Amtmann ränkekund.
Sie wollten nichts, beileibe, nein,
Als Ordnung schaffen ganz allein,
Um Gotteswillen und unsertwegen
Den Wald, den wüchsigen, hegen und pflegen.
Da war nicht Einer, den es verdroß,
Die Ehre war auch gar zu groß!
So machte die Herrschaft uns Besuch,
Indeß zu Hause, ganz im Stillen,
Sie legte, natürlich um unsertwillen,
Sich Rodel an und Lagerbuch.
Es sollte wahrlich baß uns frommen,
Und wißt ihr, wie es dann gekommen?
Nach hundert und aberhundert Jahr,
Als keiner der Frühern am Leben war,
Sie that als ob von Alters her
Der Wald ihr freies Eigen wär.
Was half es, ob Unsereiner schmollte?
Sie ließ zum Wald nur, wen sie wollte.
Zuletzt sie trat mit Siegel und Brief
Vor den verblüfften Bauer und rief:
Enthalte sich Jeder, dem Wald zu schaden,
Die Nutzung habt ihr nur aus Gnaden,
Dieweil seit unfürdenklicher Frist
Die Herrschaft Herr des Waldes ist.
Das steht in unserem Lagerbuch,
Drum denkt an keinen Streitversuch!
So hat von je die klügre Hand
Den Stiel gedreht, das Blatt gewandt.
Uns aber, die wir nichts aufgeschrieben,
Ist nicht ein Raitel mehr verblieben,
Uns, einstmals Herrn der Waldespracht,
Wird nun der Grashalm streitig gemacht!
Weß ist der Wald nach Recht und Fug?

Der Förster sprach es oft genug,
Er sprach, und mit bedächtgem Munde:
Ja hättet von eurem Recht ihr Kunde,
Ihr führet zu der Herrschaft Qual
Mit silbernen Pflügen allzumal!

Nun schnaubet ihr uns und flucht uns an
Was haben wir euch zu leid gethan?

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Karl Doll: Glockenheimweh

Wo ringsum Wonnen blühn und Wein,
Der Berg, er heißt der Wunnenstein.
Es mag auf segensreichre Auen
Im Schwabenlande keiner schauen.

Ein Kirchlein in vergangner Zeit
Stand dort, Sankt Michael geweiht;
Das trug ein Glöcklein, gar ein feines,
Wie das, so klang im Lande keines.

Denn seit das Glöcklein oben hing,
Kein Hagel rings mehr niederging,
Die grimmen Wetter schwarz und bange,
Sie brachen sich an seinem Klange.

Von Wunnenstein ein Herr einst war
Zum heilgen Land gezogen dar,
Hieb manchen Heiden aus dem Bügel,
Das Heilthum baut er auf den Hügel.

Zum Berge nach dem Gotteshaus
Sah mancher Ort mit Neid hinaus
Der gnadenreichen Glocke wegen
Mit ihrem kräft’gen Wettersegen.

Heilbronn zumal, die reiche Stadt,
So nur gemeine Glocken hat;
Der Kaufherrn Trachten stund und Sinnen,
Wie dieses Kleinod zu gewinnen.

Ein Kloster hinter’m Berge ruht,
Das Kirchlein stund in seiner Hut.
Zum Frauenstifte Boten liefen
Mit schlauem Gruß und schlauern Briefen.

Drin stund: Aebtissin, fromme Fraun,
Wollt uns das Glöcklein anvertraun;
Mögt ihr am ehrnen Klang euch laben?
Und könnt dafür doch goldnen haben!

Mit Kranz und Band vom Wunnenstein
Was zieht dort in das Land hinein?
Ein langer Zug mit Roß und Wagen,
Das Glöcklein nach Heilbronn zu tragen.

Und als der Zug am Thor erschien,
Das Volk umdrängt, umjubelt ihn,
Und als die Glocke hing im Thurme,
Da schwoll der Jubel gar zum Sturme.

O schaut, o schaut! von Westen her
Zieht ein Gewitter schwarz und schwer.
Was hat das Wetter viel zu sagen?
Braucht ja die Glock nur anzuschlagen.

Schon ziehn am Strang wohl ihrer drei:
Die Glocke schwankt und schwinget frei,
Sie läßt sich ziehn und läßt sich schwingen,
Zum Läuten doch sich nimmer zwingen.

Und zogen ihrer neun am Strang;
Die Glocke gab nicht Einen Klang;
Sie ließ sich ziehn, sie ließ sich schwingen,
Zum Läuten doch sich nimmer zwingen.

Sie sah wohl nach dem Gotteshaus,
Nach dem geliebten Berg hinaus.
Ach, in den fremden, kalten Mauern
Wie mußte sie vor Heimweh trauern!

Ob all den schwarzen Dächern hier
Die Brust vor Erz zersprang ihr schier,
Sie mochte keinen Laut mehr geben
Und schied am liebsten aus dem Leben.

Und sie gebot dem Wetter nicht.
Der Hagel rauscht in Strömen dicht,
Dazwischen zucken grelle Flammen,
Als sengten sie die Stadt zusammen.

Die Bürger, wie sie solches sahn,
Ein jäher Schrecken kam sie an:
Dem Himmel, klar ists an der Sonnen,
Mißfiel die List, die sie gesponnen.

Und als der Morgen schien ins Thor,
Was meint ihr, kam daraus hervor?
Zwölf Pferde ziehen einen Wagen,
Der Wagen muß ein Glöcklein tragen.

Die Thiere quälten sich gar sehr,
Fast schien die Last für sie zu schwer;
Als sie des Berges Fuß gewannen,
Da mochten kaum sie mehr von dannen.

Da halfen Peitsche nicht und Ruf,
Es schlug den Grund umsonst ihr Huf:
Doch was zwölf Rosse nicht bezwungen,
Zween Stieren ist es leicht gelungen.

Da schirrt ein ackernd Bäuerlein
Gar freudvoll statt der Mäuler ein,
Und sieh, zu Berge schritten beide
In muntern Sprüngen, wie zur Weide.

Sie trabten mit der blanken Last,
Als ob sie solcher ledig fast.
Nicht lang, so sah die Glocke wieder
Hoch oben von dem Berge nieder.

Als dort sie hing, dem Himmel nah,
Von selbst vor Luft erklang sie da,
Das klang wie holde Himmelskunde
In alle Hütten in der Runde.

Verwaist nun steht der Wunnenstein.
Wer weiß, wo mag die Glocke sein?
Doch hört wer Acht hat, oft ein Singen
Wie fernen Glockenlaut erklingen.

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