Dem Herrscherstab, dem Fürstenhut
Entsagt der Fürst mit starkem Muth,
Und spricht zu seinem Sohne:
„Sitz Du auf meinem Throne!“
„Mich ruft zum Kampf die höh’re Pflicht,
Die Noth ist groß! hilft Gott uns nicht,
Wird uns das Schwert bekehren
Von Luthers reinen Lehren.“
„Doch ferne sei mir’s, Mord und Brand
Zu locken in mein friedlich Land;
Ich will das Schwert erfassen,
Und dir das Scepter lassen.“
„Nimm’s hin! mein Sohn, und trag’ es weis
Zu deines Volks und Gottes Preis
Des heil’gen Rechts Beschützer
Der Schwachheit Unterstützer.“
Er sprach’s, und schwang sich auf sein Roß.
„Leb’ wohl! du meiner Ahnen Schloß.“
Viel heiße Thränen rannen,
Doch rastlos gieng’s von dannen.
Da half kein Rath, kein warnend Wort,
Ein blind Verlangen trieb ihn fort,
Wie einst in bessern Zeiten
In off’ner Schlacht zu streiten.
„Der Feigling sucht den Hinterhalt,
Ich trau auf meines Arms Gewalt –
So rief er – kühn Beginnen
Muß uns den Sieg gewinnen.“
Und unaufhaltsam rückt er vor,
Und triff den Feind vor Wimpfens Thor,
Viel Tausend wohlgerüstet,
Die all des Kampfs gelüstet.
Die Trommel ruft, das Schwert wird blos,
Wie Blitze folgen Hieb und Stoß,
Es donnern die Kanonen,
Die Freund und Feind nicht schonen.
Und Mancher stürzt’, und Mancher sank,
Und mancher Kämpe sterbenskrank
Hat schweren Tod gelitten,
Denn blutig ward gestritten.
Es stach der Sonne heißer Brand
Den Fürsten, der im Freien stand,
Doch kühles Obdach hatten
Die Feind’ in Waldes Schatten.
Da hat gar mancher Held geklagt,
Der Markgraf streitet unverzagt;
Und Mancher muß erbleichen
Vor seines Armes Streichen.
Doch sieh! welch schwarzer Höllendampf
Steigt dort empor und stört den Kampf?
Horch, wie es kracht und wettert,
Und Alles rings zerschmettert.
Des Fürsten Heer wird schnell zersprengt,
Und Herrn und Knechte flieh’n vermengt;
Ein Schreckensruf verkündet:
Das Pulver ist entzündet.
Umsonst war Bitten, Mahnen, Droh’n,
So Muth als Ordnung war entfloh’n.
Bald focht, vom Feind umgeben,
Der Markgraf um sein Leben.
Nun spitzt das Ohr, und hört die That,
Die nirgend ihres gleichen hat,
Vernehmt sie, und bewundert
Von Pforzheim die Vierhundert.
Ein Häuflein klein, doch edler Art
Hat um den Fürsten sich geschaart,
Aus jener Stadt gebürtig,
Des Schwabenlandes würdig.
Sie standen vor den Fürsten dicht,
Wie Säulen fest, und wankten nicht,
Sein theures Haupt zu retten
Von ew’ger Knechtschaft Ketten.
Und Mancher stürzt’, und Mancher sank,
Das Blut der treu’sten Herzen trank
Der nimmersatte Boden,
Ein weites Feld von Todten.
Sie kämpfen, bis der Letzte blieb.
„O weinet nicht, ihr Mütter lieb!
Der Ruhm von euern Söhnen
Wird alles Land durchtönen!“
So ward der edle Fürst befreit
Durch seiner Bürger Tapferkeit,
Denn Lieb’ ist bess’re Wehre,
Als Furcht und mächt’ge Heere.
Und ihr, ihr Herren edel’n Bluts
Begebt euch eures stolzen Muths,
Und ehret und bewundert
Von Pforzheim die Vierhundert.
Die kriegsverherrlichende Ballade von den „400 Pforzheimern“ erschien 1835 im ersten Gedichtband des damals 23-jährigen Eduard Brauer (1811–1871). Es handelt sich um eine von zahlreichen literarischen Bearbeitungen einer Sage, die von der Rettung des Markgrafen Georg Friedrich von Baden-Durlach in der Schlacht bei Wimpfen im Jahr 1622 berichtet.
Bei dieser Schlacht in der Frühphase des Dreißigjährigen Kriegs stand das Heer des Markgrafen den bayerischen und spanischen Truppen der katholischen Liga unter den Feldherren Tilly und Córdoba gegenüber. Die von Brauer geschilderte Explosion der markgräflichen Pulverwagen hat tatsächlich dazu geführt, dass dessen Truppen in Panik gerieten und die Flucht ergriffen. Der Markgraf selbst konnte sich verletzt in Sicherheit bringen.
Dass diese Flucht nur durch das aufopferungsvolle Eingreifen der 400 Pforzheimer gelang, und diese dabei allesamt den Tod fanden, wurde noch zu Brauers Zeiten häufig ebenfalls für eine historische Tatsache gehalten. Brauer selbst schrieb 1845 in den „Sagen und Geschichten der Stadt Baden im Großherzogthum und ihrer näheren und entfernteren Umgebungen in poetischem Gewande“, die Geschichte der 400 Pforzheimer werde zwar neuerdings angezweifelt, doch der „Kern der Sage“ werde dennoch „als eine wahre Begebenheit zu betrachten sein.“
David Coste zeigte 1874 in einem Beitrag für Heinrich von Sybels Historische Zeitschrift, dass sämtliche literarische Bearbeitungen der Sage auf das 1788 erschienene Trauerspiel „Die vierhundert Pforzheimer Bürger oder die Schlacht bey Wimpfen“ des Pforzheimer Schriftstellers Ernst Ludwig Deimling zurückzuführen sind. Den frühesten bekannten Hinweis auf die angebliche Heldentat gab bereits 1770 Johann Christian Sachs in einer Fußnote zu seinem Auszug aus der Geschichte der Marggravschaft und des Marggrävlichen altfürstlichen Hauses Baden: „Man meldet, daß bei 400. Mann von der Burgerschaft zu Pforzheim, welche dem Marggraven zu einer Leibgarde gedient hätten, fast bis auf einen Mann sich haben niederhauen lassen.“ In zeitgenössischen Quellen, von denen Coste einige zitierte, ist von den 400 Pforzheimern dagegen keinem Wort zu finden.
Brauers gleichermaßen Heldentum und Herrschertreue verherrlichende Ballade fand bald Eingang in zahlreiche Anthologien, etwa 1837 in Karl Simrocks „Rheinsagen“, 1839 in August Nodnagels „Sieben Bücher deutscher Sagen und Legenden in alten und neuen Dichtungen“ oder 1846 in August Schnezlers „Badisches Sagen-Buch“, um nur einige zu nennen. Brauer selbst zählte 1848 bereits zwölf Sammlungen, in die die Ballade aufgenommen worden war.
Eine Liste literarischer Bearbeitungen der Sage lieferte 1880 der Historiker Moritz Gmelin in seinen Beiträgen zur Geschichte der Schlacht bei Wimpfen.
Zum Autor
Jiří Hönes – Sagenbilder in Lied und Reim – der badische Dichter Eduard Brauer (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Downloads
Die 400 Pforzheimer (Gedichte)
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Links
Wikipedia: Eduard Brauer
Wikisource: Eduard Brauer, Quellen und Volltexte
Quelle
Eduard Brauer: Gedichte.
Chr. Fr. Müller’sche Hofbuchhandlung.
Karlsruhe 1835.
S. 30–33.
[Wikimedia Commons]
Das Mädchen und das Bübchen
Im traulich warmen Stübchen
Sind seelig eingenickt.
Großmutter sitzt im Stuhle,
Sie sitzt und dreht die Spule
So fleißig und geschickt.
Eduard Brauers lyrische Version der Gaggenauer Ortsnamensage erschien 1845 in seiner Sammlung „Sagen und Geschichten der Stadt Baden im Großherzogthum und ihrer näheren und entfernteren Umgebungen in poetischem Gewande.“ Als Quelle gab er die 1834 bei Johann Velter in Karlsruhe anonym herausgegebenen „Sagen aus Baden und der Umgegend“ an. Dort war die „eben nicht sehr sinnreiche Sage“ in schlichter Prosa abgedruckt.
In Anlehnung an die einleitenden Worte aus seiner Quelle schrieb Brauer in den Anmerkungen zu seiner Ballade, es handle sich um eine „freilich weder sinnreiche noch poetische Sage“ Zur dichterischen Ausgestaltung derselben bemerkte er: „Sie ist im Gewand eines Kindermährchens, das sich wohl allein für sie schickt, etwas ausgeschmückt hier wiedergegeben.“ Brauers Ausschmückung bestand vor allem in der Begegnung mit dem „bucklig Männchen, / Nicht höher als drei Spännchen“, welches in der Prosasage nicht vorkommt.
Die Ballade wurde später in zahlreichen weiteren Sagenbüchern abgedruckt. Der Dichter Augst Schnezler nahm sie 1856 in sein „Badisches Sagen-Buch“ sowie 1847 in seine Sammlung „Aurelia’s Zauber-Kreis. Die schönsten Geschichten, Sagen und Legenden der Stadt Baden und ihrer nachbarlichen Thäler und Bergschlösser nebst einem Märchen-Cyclus vom Mummelsee“. In Brauers eigener Balladensammlung „Badische Sagenbilder in Lied und Reim“ von 1858 durfte sie natürlich auch nicht fehlen.
Eine weitere Prosaversion der Sage erschien 1851 in Bernhard Baaders „Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden“ unter dem Titel „Gaggenaus Name“.
Ausführliche Erläuterungen
Jiří Hönes – Eduard Brauer: Gaggenau (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Zum Autor
Jiří Hönes – Sagenbilder in Lied und Reim – der badische Dichter Eduard Brauer (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Gaggenau (Sagen und Geschichten der Stadt Baden im Großherzogthum und ihrer näheren und entfernteren Umgebungen in poetischem Gewande)
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Gaggenau (Badisches Sagen-Buch)
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Anonymus: Gaggenau (Sagen aus Baden und der Umgegend)
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Bernhard Baader: Gaggenaus Name
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Links
Wikipedia: Eduard Brauer
Wikisource: Eduard Brauer, Quellen und Volltexte
Quelle
Eduard Brauer (Hrsg.): Sagen und Geschichten der Stadt Baden im Großherzogthum und ihrer näheren und entfernteren Umgebungen in poetischem Gewande.
G. Braun’sche Hofbuchhandlung.
Karlsruhe 1845.
S. 60–61.
[Google Books]
Die Ballade von der Spieleiche bei Pforzheim erschien erstmals im „Musen-Almanach für das Jahr 1855“ von Otto Friedrich Gruppe. Der Verfasser Eduard Brauer (1811–1871) war seinerzeit als Hofgerichtsrat in Mannheim tätig und als typischer Dichterjurist bereits seit jungen Jahren poetisch tätig. Neben August Schnezler war er einer der Hauptlieferanten badischer Sagenballaden, seine Dichtungen sind in zahlreichen Sagensammlungen und Musenalmanachen der Biedermeierzeit und der Reaktionsära zu finden. Zudem hat er mit den „Badischen Sagenbildern in Lied und Reim“ eine eigene Sammlung herausgegeben.
Brauer hatte in den 1840er-Jahren einige Zeit in Pforzheim gelebt und mehrere Pforzheimer Sagen poetisch bearbeitet. Die hier vorliegende Spieleichensage ist bis heute bekannt und existiert in zahlreichen Varianten. Schon mancher Lokalhistoriker hat sich mit den Gründen für ihre Entstehung befasst. Die älteste bekannte Version erschien 1851 in Bernhard Baaders „Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden“:
„Der Hagenschießwald bei Pforzheim gehörte den Freiherren von Leutrum, wurde aber von einem derselben an den Markgrafen von Baden im Würfelspiel verloren. Dies geschah unter einem Eichbaum des Waldes, welcher davon noch heute die S p i e l e i c h e heißt.“
Der Vergleich mit diesem knappen Bericht zeigt, dass – außer dem Würfelspiel an sich – nahezu die ganze Handlung in Brauers Ballade dichterische Erfindung ist. Schon die Jagdszene, in welche das Geschehen eingebettet ist, wird weder bei Baader noch in anderen Varianten erwähnt. Dies mag noch als poetisches Beiwerk durchgehen, der eigentliche Eingriff in die Vorlage ist der Einsatz, um den gewürfelt wird. Ging es ursprünglich nur um den Wald, bringt Brauer die Tochter des Markgrafen ins Spiel. Aus Sicht der damaligen Sagenforschung war dies sicherlich unverzeihlich, poetisch gesehen dagegen ein nachvollziehbarer Schritt: Schließlich wurde in der Vorlage überhaupt nicht erwähnt, was denn der Spieleinsatz des Markgrafen war.
Die heute so bezeichnete Spieleiche an der Straße vom Seehaus nach Tiefenbronn ist nicht identisch mit derjenigen aus der Sage. Diese dürfte – sofern sie überhaupt existiert hat – im gleichnamigen Waldabteil gestanden haben, welches sich etwa zwei Kilometer nordöstlich an der Grenze zu Wurmberg befindet. Nach Gerhard Leutrum von Ertingens Leutrum’scher Familienchronik wurde sie um 1840 gefällt.
Ausführliche Erläuterungen
Jiří Hönes – Eduard Brauer: Die Spieleiche im Hagenschießwald bei Pforzheim (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Zum Autor
Jiří Hönes – Sagenbilder in Lied und Reim – der badische Dichter Eduard Brauer (2014, überarbeitete Fassung 2017)
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Die Spieleiche im Hagenschießwald bei Pforzheim (Deutscher Musen-Almanach für das Jahr 1855)
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Die Spieleiche im Hagenschieß bei Pforzheim (Badische Sagenbilder in Lied und Reim)
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Bernhard Baader: Die Spieleiche
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Karl Hermann Klaiber: Der Badische Hagenschieß und seine württembergische Umgebung (Auszug)
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Paul Langhammer: Der nackte Mann
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Links
Wikipedia: Eduard Brauer
Wikisource: Eduard Brauer, Quellen und Volltexte
Quelle
O.F. Gruppe (Hrsg.): Deutscher Musen-Almanach für das Jahr 1855.
Druck und Verlag von Georg Reimer.
Berlin.
S. 100–102.
[Google Books]