Emilie Scotzniovsky: Der vergrabene Schatz in den Ruinen von Lichtenstein

Dezember 1842.

  Im Schwarzwalde, da ist ein Dörfchen,
Leinstetten, ist wenig bekannt,
Es liegt dabei eine Ruine,
Burg Lichtenstein wird sie genannt.

  Im Jahr fünfzehnhundert und zwanzig,
Empörten der Bauern sich viel,
Sie sengten und brennten und trieben
Mit Schwert und mit Feuer ihr Spiel.

  Sie zogen von Burgen zu Burgen,
Ermordeten Ritter und Frau’n,
Bewaffnet mit Dreschflegel, Spießen,
Der Gräuel war schrecklich zu schau’n.

  Auf Lichtenstein lebte ein Ritter,
Der hatte ein Töchterlein hold,
Er sprach zu ihr „laß uns verbergen
Mein Töchterlein, all’ unser Gold.

  Die Bauern, sie kommen und rauben,
O laß uns vergraben den Schatz,
Im Keller tief unter der Erde,
Da ist wohl der sicherste Platz.

  „Mein Töchterlein, sollte ich sterben,
Dein Brautschatz soll dieses dann seyn.“
So sprach er und senkt in die Erde,
Gefüllet die Kiste hinein.

  Die Bauern, sie kamen, zerstörten
Burg Lichtenstein bis auf den Grund,
Ermordeten Vater und Tochter,
So macht es die Sage uns kund.

  Die Mauern der Burg sehen traurig
Hernieder in’s Leinstetter Thal,
Am Fuße des Thurms ist ein Plätzchen,
Da wächst nichts, das bleibet so kahl.

  Und kommt die Nacht, sieht man zwei Lichtlein
An diesem so schauerlichen Platz,
Die Geister sind’s, Vater und Tochter,
Sie hüten noch immer den Schatz.

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Eduard von Seckendorff: Die 3 Kreuze bei Stammheim

Ein Landmann pflügte sein Ackerland,
Ein altes rost’ges Schwert er fand,
Das verlor vor viel hundert Jahren schon
Ein Krieger, der blutigsten Schlachten entfloh’n.
Er tat es auch nach Haus mitbringen ―
Hütet euch vor alten Klingen!

Und er trägt zu der Schmiede hin das Schwert:
„Ein’ Pflugschar schmiedet mir, Meister wert!“
Der Meister warnend zurecht ihn weist:
Im Schwert da wohnt ein besonderer Geist,
Läßt schwer sich zur Arbeit dingen ―
Hütet euch vor alten Klingen!

Doch der andre beharrt auf seinem Sinn
Und verheißt dem Meister guten Gewinn.
Der schmelzt es ein und schmiedet’s gut,
Wie glüht’s, wie zischt’s in des Ofens Glut,
Wie sprüht’s vor des Hammers Schwingen ―
Hütet euch vor alten Klingen!

Und wie der Ackermann sein Feld
Mit der Pflugschar zum erstenmal bestellt,
Dringt’s ächzend in den Boden ein,
Mag wohl nicht gerne Pflugschar sein.
Ja, schwer will die Arbeit gelingen. ―
Hütet euch vor alten Klingen!

Wo nur ein Stein sonst, da bricht ein Stoß
Wie von einem Felsblock die Pflugschar los.
Der Landmann, eilig zur Flucht gewandt,
Die Pflugschar läßt an der Straße Rand;
Das geschieht nicht mit rechten Dingen ―
Hütet euch vor alten Klingen!

Im Dorf war Hochzeit. Von lustigem Schmaus
Spät abends gingen die Burschen nach Haus,
Sie gingen erhitzt von Tanz und Wein.
Was blinkt dort, es mag Eisen sein:
Mein ist’s, wer will mir’s entringen? ―
Hütet euch vor alten Klingen!

„Was geht dich die Pflugschar an, Gesell’?“
„Gib her!“ so ruft’s und entreißt’s ihm schnell.
Und sie schlagen sich, reißen sich’s aus der Hand.
Das Schwert hat zum alten Gewerb sich gewandt.
Wie kreist’s in mächtigen Schwingen.
Hütet euch vor alten Klingen!

In Strömen das Blut floß auf den Grund,
Und es sanken die drei zum Tode wund.
Drum hat man die Kreuze gebaut aus Stein,
Die Pflugschar soll drunter begraben sein,
Zu meiden des Bösen Schlingen ―
Hütet euch vor alten Klingen!

Drum wehrt euch, wehrt euch, die ihr begehrt,
Zum Pfluge zu wandeln das Ritterschwert.
Noch blüht so manches edle Haus
Und die Rittertugend, sie starb nicht aus,
Ihr werdet sie nimmer bezwingen.
Hütet euch vor alten Klingen!

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Rudolf Magenau: Die Frauen auf der Schalksburg

Wer seidt ihr, holde Frauen?
  Wie weilt ihr so allein
In dieser Wildniß Grauen,
  Um Trümmer und Gestein?
Habt ihr vielleicht verloren
  Den Pfad aus Unbedacht?
Ihr seidt nicht hier gebohren
  Nach eurer fremden Tracht;

„Ihr Jungen! Wohl hienieden
  Ist unsres Wesens nicht,
Längst sind wir abgeschieden
  Von dieser Erde Licht,
Die Körper sind vor langen
  In Grüften schon verweßt,
Die Geister sind gefangen,
  Bis einer sie erlößt,

Denn wißt, in tiefen Gründen,
  Der Menschen Aug versteckt
Ist hier ein Schaz zu finden,
  Wohl dem, der ihn entdeckt!
Den Schaz sind wir zu hüten
  Auf diesen Plaz gebannt,
Wollt ihr uns Lösung bieten,
  Es steht in eurer Hand,

Tief, wo des Berges Rücken
  Sich senkt, da werdet bald
Einen Ahorn ihr erblicken,
  Den einz’gen hier im Wald,
Ihn flink gefällt, und säget
  Zu einer Wiege Schrein
Den hohen Stamm und leget
  Ein schuldlos Kindlein drein!

Habt ihr mit reinen Händen
  Das Werk sodann vollbracht,
Wird unser Bann sich enden,
  Nach langer Quaalen Nacht;“
Und als sie dies mit Wimmern
  Gesprochen, war’n die Frau’n
Verschwunden von den Trümmern
  Und nirgends mehr zu schau’n;

Die Jungen floh’n mit Grausen;
  Der Geister kläglich Fleh’n
Schien ihnen noch im Sausen
  Der Tannen nachzuweh’n,
Rauscht nur ein Blättchen nieder,
  Sah’n sie im Fieber-Wahn
Die Geister-Frauen wieder
  Vom Berg herab sich nah’n,

Doch mählich schwand den Sinnen
  Die Furcht, es zog zum Wald,
Das junge Volk von hinnen
  Und fand den Ahorn bald,
Daß Bret an Bret sich füge,
  Ward flink der Stamm zersägt,
Gezimmert ward die Wiege,
  Die Unschuld drein gelegt,

Und als es so geschehen,
  Als es die Frau’n begehrt,
Sah man der Schalksburg Höhen
  Des Abends hell verklärt,
Der grauen Thürme Bogen
  Mit ihrem düstern Grün
Sah man von Glanz umzogen
  In Purpur-Roth erglüh’n,

Und in dem Purpur wallten
  Die Geisterfrau’n darauf
In hehren Licht-Gestalten
  Erlöst zum Himmel auf,
Sie barg in hohen Lüften
  Des Aethers blauer Flor,
Die Burg mit ihren Klüften
  Lag öde, wie zuvor.

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Karl Gerok: Die Weinberghalde zum Sünder

Nach einer Stuttgarter Chronik
2. Jun. 1339


Die Morgensonne, sie flimmert so hell,
Das Sünderglöcklein es wimmert so grell,
  Es kommen die Leute zu Haufen
  Durch Stuttgarts Gassen gelaufen.

Dem Rugger gilt es, dem jungen Blut,
Schad ists um des Junkers adligen Muth,
  Mit seinen gelbkrausen Haaren,
  Mit seinen zwanziger Jahren.

Er trug den Kopf auf den Schultern so keck,
Auch trug er das Herz auf dem rechten Fleck,
  Doch der Zorn und der Wein und die Minne
  Die brachten ihn leider vom Sinne.

Im Adelberghof gabs fröhlichen Schall,
Da schlugen die Junker und Knappen den Ball,
  Es standen die Jungfern und Frauen,
  Am Gatter das Spiel zu beschauen.

Und die schönste darunter, des Loselins Kind,
Die hat der Rugger im Herzen geminnt,
  Der wollt’ er im Spiele vor allen
  Als rüstiger Kämpe gefallen.

Doch der Weißenburger, der zierliche Fant,
Der schlug den Ball mit geschickterer Hand,
  Macht dreimal den Rugger zu Schanden,
  Daß er schlecht vor der Liebsten bestanden.
 
Und die schalkische Hilde mit rosiger Hand
Lustpatschte dem Sieger, dem Rugger zur Schand,
  Drob ist ihm vor grimmigem Grollen
  Das Herz im Leibe geschwollen.

Hinschmiß er den Ball und den Schläger ins Eck
Und hub sich in zornigem Muthe vom Fleck,
  Lief hin, beim Wirthe zur Ilgen
  Den Gift im Weine zu tilgen.

Da sieht er vom Fenster die zierliche Maid
Durchs Gäßlein gehn in des Junkers Geleit,
  Ihr lustiges Lachen und Scherzen
  Das grub ihm wie Messer im Herzen.

Stumm trank er, da kam auch sein Spielkumpan:
„Sei kein thörichter Wenzel und klinge mit an!“
  Weg stieß der Erboste die Kannen
  Und stürzte verwildert von dannen.

Und am Pförtlein paßte er mit nackender Wehr,
Der Junker kam pfeifend die Stiege daher,
  Kein Wort hat der Rugger gesprochen,
  Die Klinge durchs Herz ihm gestochen.

Drei Tage, so saß man zum Blutgericht,
Da bekannt’ er die That und leugnete nicht;.
  Sie haben das Stäblein gebrochen,
  Das Haupt ihm vom Halse gesprochen.

„Und muß ich denn sterben, ihr lieben Herrn,
Um eins noch bitt’ ich, das gönnet mir gern:
  Nicht am Markt, – auf grünender Haiden
  Laßt den bitteren Tod mich erleiden.

Am Gabelberg liegt mir mein Ahnengut,
Da laßt mich verspritzen mein junges Blut,
  Wo mein Vater den Wingert gebauet,
  Wo vom Berge die Stadt man erschauet.

Zwar steil ist der Steig und der Weg ist lang,
Drum gönnt mir die Labe zum letzten Gang,
  Vom eignen Gewächse, vom Rothen
  Sei dreimal ein Trunk mir geboten!

Und sterb’ ich der Letzte vom alten Geschlecht,
So stift’ ich den Wingert zum ewigen Recht:
  Daß jeglichem Sünder vom Rothen
  Der Letztunk werde geboten!“ –
 
Und wie sie ihn führten zum Thore hinaus,
Da trank er zum ersten am Thorwartshaus,
  Zum zweiten am Steig in der Mitten
  Und oben am Berge zum dritten.

Drauf kniet er, ihn segnet der Beichtiger ein,
Dann setzt er sich nieder aufs Mäuerlein,
  Wo sein Vater den Wingert erbauet,
  Wo vom Berge die Stadt man erschauet.

Die Sonne am Himmel sie flimmert so hell,
Das Glöcklein im Thale es wimmert so grell,
  Und die Stadt und die Berg’ und die Auen,
  Sie sind so wonnig zu schauen.

Und der Rugger schauet zum letztenmal
Die Halde hinunter ins grünende Thal:
  „O du Stadt, o du Welt, o du Leben,
  Valet nun muß ich dir geben!“

Und er wendet sein Haupt zu dem Volk im Rund,
Sagt den Freunden Ade mit zuckendem Mund:
  „Ihr Brüder, nun geht es zum Scheiden,
  Den bitteren Tod muß ich leiden!“

Und er schauet zum leuchtenden Himmel hinauf:
„Herr Christ, nun nimm mich zu Gnaden auf,
  Und opfr’ ich den Leib dir im Sterben,
  So laß nicht die Seele verderben!“

Vorbeugt er den Hals und das Ritterschwert blitzt,
Und ihm rollet sein Haupt in den Schoß wie er sitzt,
  Und langsam ist er wie trunken
  Ins Gras und die Blumen gesunken.

Im Weinberg droben am Mäuerlein
Noch kündet die Mär ein verwitterter Stein,
  Und auf Kinder und Kindeskinder
  Benennt man die Halde „zum Sünder.“

Wer hat uns dies Liedlein vom Rugger gemacht?
Ein Schreiber von Stuttgart hat es erdacht,
  Saß gestern droben am Steine
  – Mutterseelenalleine. –

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Ludwig Egler: Das Reich der Sage

Es war ein Frühlingsabend. Sanft erglühte
  Der Himmel in der Sonne Rosenpracht.
Ich ging im Walde, der im Mai erblühte,
Mit stiller Lust erbauend mein Gemüthe
  In seiner ahnungsvollen Schattennacht.
Aus duftigem Gezweige wehten nieder
Der muntern Waldessänger Erstlingslieder.

So stieg ich denn im Hauch der Abendlüfte
  Den Berg hinan, den gold’nes Licht umfloß,
Und athmete die süßen Kräuterdüfte
Am Waldbach, der sich donnernd in’s Geklüfte
  Im Silberschaume über Felsen goß.
Mir war, als ob aus den verborg’nen Tiefen,
Wie Geisterlaut, geheime Stimmen riefen.

Und weiter ging ich auf verschlungnen Wegen,
  Da, in der stillen Waldeseinsamkeit,
Sah ich die Zweige flüsternd sich bewegen –
Und eine Jungfrau trat mir hold entgegen
  Im Kleide ältester Vergangenheit.
Sie grüßte mich und blieb vertraulich stehen,
Als hätte sie mich längst und oft gesehen.

Und ich auch hab’ die Liebliche gefunden,
  Als hätt’ ich oft geschaut ihr Angesicht,
Wenn in dem Kreise stiller Weihestunden
Zu mir gesprochen grauer Vorzeit Kunden,
  Wie Waldesrauschen in dem Abendlicht.
Und horch! Sie lispelte: „Ich bin die S a g e ,
Die treue Tochter längst vergang’ner Tage.“

„Komm in mein Reich, die Wunder, die ihm eigen,
  Sie seien alle deinem Blick enthüllt,
Du sollst mit m i r des Berges Höh’ ersteigen,
Der ganzen Vorzeit Bild will ich dir zeigen,
  Gewiß von Freude wird dein Herz erfüllt.
Und was gescheh’n vor grauen Sturmesjahren
Im Heimathland will ich dir offenbaren.“

Wie gerne bin ich mit ihr hingegangen,
  Von seltener Erwartung angeregt,
Zerflossen war des Purpurlichtes Prangen
Im Dämmerschein, und aus dem Thale klangen
  Die Abendglockenhalle, sanft bewegt
Vom Hauch des Westes, der die Fluren kühlte
Und in der Bäume Blätterkronen spielte.

Die waldesdüstern Räume wurden freier;
  Da leitete der Felsenpfad empor
Zu eines Schlosses stattlichem Gemäuer,
Rings prangend in des Epheu’s Frühlingsschleier,
  So malerisch. Wir traten durch das Thor.
Da führten lange Gänge, halbzerfallen,
Uns in des Rittersaales Marmorhallen.

Ich staunte an die Rüstungen, die alten,
  Wie einst im Kampf sie trug der kühne Held.
Als würde Leben noch in ihnen walten,
So sah’n auf mich die riesigen Gestalten
  Der Ritterbilder, die da aufgestellt.
Ich schaute auch die Helden des Gesanges
Mit ihren Harfen, einst so vollen Klanges.

Es hielt mein Geist beglückt an diese Orte,
  Von ahnungsvoller Weihe sanft beführt;
Da mahnt die Führerin mit leisem Worte
Zu folgen ihr. Sie öffnet eine Pforte,
  Und in das Freie wurde ich geführt,
Allwo sich mir, von selt’nem Licht umflossen,
Die wundervollste Landschaft aufgeschlossen.

„Das ist mein Reich,“ hub freundlich an die Sage,
  „O, nur im Lied aus meinem Herzen spricht
Die tiefe Liebe, die ich zu ihm trage.
Sieh an die Herrlichkeiten alter Tage,
  Erstrahlend, wie der ew’gen Sterne Licht;
Was sich der heut’gen Welt nur zeigt in Trümmern,
Das siehst du hier in alter Größe schimmern.“

„Sieh, deine Heimath in dem Prachtgewande
  Des Alterthumes ist sie hier zu schau’n!
Noch ragen ihre Burgen in die Lande,
Hoch über Klöstern, die vom Hügelrande
  Wie Engel lächeln in die Blüthenau’n.
Die Felsen glüh’n im abendrothen Glanze
Aus dunkler Wälder maienfrischem Kranze.“

Entzückt sah ich in die verklärte Runde,
  Auf deren Wunder mich die Sage wies,
Indessen ich vernahm aus ihrem Munde
Voll süßem Reiz gar manche schöne Kunde
  Der alten Zeit, die sie mir feiernd pries.
U n d  w a s  s i e  m i r  e r z ä h l t ,  h i e r  b r i n g ’  i c h ’ s  w i e d e r
G e t r e u  d e r  H e i m a t h  z u  d u r c h  m e i n e  L i e d e r .  –

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Veröffentlicht unter Ludwig Egler, Schwäbische Alb | Hinterlasse einen Kommentar